Politik-Spektakel Oscar-Verleihung

Kritik am Rassismus in Hollywood, ein Lied für die Opfer sexuellen Missbrauchs, ein Aufruf zum Kampf gegen den Klimawandel: Die Verleihung der Oscars in Los Angeles war in diesem Jahr so politisch wie lange nicht mehr. Was hat das noch mit Kunst zu tun?, fragen sich einige Kommentatoren.

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Aamulehti (FI) /

Richtige Kritik am falschen Ort

Derzeit wird in den USA bei kulturellen Veranstaltungen ernsthafter geredet als bei Wahlkampfveranstaltungen, wundert sich die liberale Tageszeitung Aamulehti nach der Oscar-Verleihung:

„Auf der jährlichen Oscar-Verleihung wurden wieder einmal in den USA hochaktuelle moralische und politische Themen angeschnitten. Es wurde um Unterstützung für die Opfer sexuellen Missbrauchs geworben und gegen die Diskriminierung von Schwarzen Stellung bezogen. Auch der Klimawandel kam zur Sprache. Das sind wichtige Themen, über die auch während des laufenden Präsidentschaftswahlkampfes geredet werden sollte. Aber aus irgendeinem Grund haben die Amerikaner Unterhaltung und Politik so sehr durcheinandergebracht, dass Wahlveranstaltungen derzeit unterhaltsamer sind als Kulturveranstaltungen - und auf kulturellen festlichen Veranstaltungen wird vernünftiger Stellung bezogen als in den Debatten der Kandidaten.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Siegerfilm ein Vorbild für Polen

Der Film Spotlight, der von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche handelt, hat überraschenderweise einen Oscar gewonnen. Wegen des brisanten Themas eine gute Wahl, freut sich die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza:

„In diesem Streifen geht es nicht nur um den Glauben, sondern auch um die Verteidigung demokratischer Werte. Hier wird gezeigt, wie die Kirche ein diktatorisches System errichtet hat, das sich außerhalb jeglicher rechtlicher Kontrolle befindet. Spotlight wirkt wie eine Mahnung. … Er zeigt die Symbiose zwischen Religion und Macht, die einen regelrechten Albtraum darstellt. … Unsere Politiker sagen ja immer, wir sollten uns ein Beispiel an den US-Filmen nehmen, an ihrer Art, die eigene Geschichte, Gesellschaft und Kultur darzustellen. Hier - mit Spotlight - haben wir ein solch gutes Beispiel.“

Adevărul (RO) /

Talent hat keine Nationalität

Das ungarische Holocaust-Drama Son of Saul hat einen Oscar als bester ausländischer Film gewonnen. Darin spielt der im rumänischen Cluj geborene Levente Molnár mit - und in Rumänien werden Geltungsansprüche laut. Doch seine schauspielerische Leistung gehört keinem Land, findet der ungarischstämmige Schriftsteller Péter Demény in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung Adevârul:

„Levente Molnár wurde von einigen rumänischen Medien als 'rumänischer Schauspieler' bezeichnet. Er ist kein rumänischer Schauspieler und uns Magyaren macht es Angst, dass er so genannt wird - während der Diktatur wurden wir alle 'rumänische Staatsangehörige magyarischer Abstammung' genannt. ... Das Problem der Nationalisten von überall ist, dass sie in Zahlen denken. Ist es ein Rumäne, zählt der Punkt für uns. Ist er Magyar, punktet der Gegner. ... Täuscht euch nicht länger. Talent hat keine Nationalität.“