Ist Litauens Arbeitsmarktreform zu unsozial?

Litauens Parlament hat am Mittwoch neue Arbeitsgesetze verabschiedet und sich damit gegen das Veto der konservativen Präsidentin Grybauskaitė durchgesetzt. Die Reform umfasst unter anderem längere Arbeitszeiten und weniger Urlaubstage für Arbeitnehmer sowie kürzere Kündigungsfristen. Doch die Kritik daran ist übertrieben, meinen einige Kommentatoren. Andere nehmen das Manöver der regierenden Sozialdemokraten unter die Lupe.

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Verslo žinios (LT) /

Übertriebene Horrorszenarien

Die Kritik an den neuen Arbeitsgesetzen, die im kommenden Jahr in Kraft treten sollen, ist vollkommen hysterisch, meint die Wirtschaftszeitung Verslo žinios:

„In der Öffentlichkeit werden so viele existentielle Sorgen und Verzweiflung formuliert, dass man denken könnte, dass das neue Arbeitsgesetzbuch eine Massenvernichtungswaffe sei. Am 1. Januar werden alle Arbeitgeber ihre Vernunft verlieren und lachend massenhaft Arbeitnehmer entlassen. Die Arbeitnehmer werden in großen Mengen das Land verlassen oder Selbstmord begehen. So ein makabres Bild wird gemalt, obwohl viele integre Geschäftsleute sagen, dass es keinen Grund gibt, Entlassungswellen zu fürchten, weil überall Spezialisten fehlen. Muss man jetzt im Gesetz verankern, dass jeder bis zur Rente seinen Arbeitsplatz behält, egal, ob er effizient ist? ... So ist das leider in vielen staatlichen Behörden der Fall.“

Delfi (LT) /

Sozialdemokraten schießen sich selbst ins Knie

Mit dieser Abstimmung hat die regierende Sozialdemokratische Partei, die in Umfragen zur Parlamentswahl am 9. Oktober führt, einen großen Fehler gemacht, prognostiziert Delfi:

„Jetzt sehen die Sozialdemokraten für manch linken Wähler so aus, wie die Christdemokraten für die konservativen Wähler aussähen, wenn sie für die Homoehe und das Adoptionsrecht für schwule Paaren stimmen würden. … Falls die Sozialdemokraten auch noch denken, sie hätten die Präsidentin besiegt, dann irren sie sich heftig. Mit dieser Abstimmung haben sie ihr einen größeren Gefallen getan, als mit allen anderen Skandalen. Im Präsidentenamt hat man ja nichts dagegen, dass die Sozialdemokraten die Stimmen ihrer Wähler verlieren und die Beliebtheit von Premier Algirdas Butkevičius in den Umfragen sinkt. Die Präsidentin möchte nach der Wahl eine neue Regierung haben - und ganz besonders einen neuen Premier.“