Sind Proteste gegen Trump sinnvoll?

Unter dem Motto "Nicht mein Präsident" demonstrieren seit vier Tagen jeden Abend tausende Menschen gegen die Wahl von Donald Trump - auch außerhalb der USA. Kommentatoren beobachten die Proteste skeptisch und halten sie zum Teil sogar für kontraproduktiv.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Jetzt an die nächste Wahl denken

Statt gegen den demokratisch gewählten Trump zu sein, sollten die Demonstranten in die Zukunft schauen, schlägt die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor:

„Die Protestierer [täten] besser daran, sich Gedanken darüber zu machen, wie in zwei Jahren bei der nächsten Kongresswahl und in vier Jahren, wenn wieder ein Präsident gewählt wird, eine ähnliche Überraschung verhindert werden kann. Wer sind die Kandidaten, die man am ehesten präsentieren kann? Vor allem aber: Was sind die Probleme, die das Wahlvolk beschäftigen, auf die man also Antworten geben muss? Zu tun gibt es reichlich, für Demokraten und Republikaner übrigens. Die Lösung kann nicht sein, 'dem' Volk einfach nach dem Mund zu reden, wie der Wahlkämpfer Trump es gemacht hat. Der wird nicht alles erfüllen können, was er versprochen hat. Umso wichtiger ist es für seine Gegner, nach vorn zu denken und einen besseren Gegenentwurf zu präsentieren.“

Irish Examiner (IE) /

Das macht Trumps Populismus nur stärker

Wenn Trumps Gegner seinen Wahlsieg nicht anerkennen und keinen Respekt vor seinen Anhängern zeigen, spielen sie seinem Populismus nur in die Hände, warnt Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller im Irish Examiner:

„Wenn Clinton gewonnen hätte, hätte Trump die Legitimität der neuen Präsidentin mit Sicherheit abgestritten. Clintons Unterstützer sollten nicht das gleiche Spiel spielen. ... Es ist entscheidend, nicht Trumps Rhetorik zu bestätigen, indem man dessen Anhänger nicht ernst nimmt oder gar moralisch disqualifiziert. Denn dies ermöglicht den Populisten nur, politisch noch stärker zu punkten. Sie können sagen: 'Schaut her, die Eliten hassen euch, ganz, wie wir es euch gesagt haben. Und jetzt sind sie schlechte Verlierer.' Entsprechend hatte es katastrophale Folgen, Trumps Unterstützer pauschal als Rassisten abzutun oder als 'Erbarmungswürdige', die 'unverbesserlich' seien, wie es Hillary Clinton tat.“

Corriere del Ticino (CH) /

Eine brutale Präsidentschaft ist wahrscheinlich

Trump hat die Wahl, auf die Proteste einzugehen oder sie zu ignorieren, bemerkt Corriere del Ticino und fürchtet, dass Letzteres der Fall sein wird:

„Es ist eine Illusion zu glauben, dass Trump die Amerikaner eines Tages damit überraschen könnte, vor die Nation zu treten und sich für seine unbesonnen Worte zu entschuldigen oder alle von ihm beleidigten Gruppen, vor allem die Minderheiten, um Verzeihung zu bitten. ... Und dennoch wäre genau das der richtige Weg, nicht nur um im Sieg Großherzigkeit zu beweisen, sondern auch, um zu versuchen, denjenigen die Hand zu reichen, die sich von dem Schock der Wahl noch nicht wieder erholt haben. … Schwieriger und blutig wäre hingegen der zweite Weg, den Trump einschlagen kann. Es ist der einer brutalen Präsidentschaft, der es egal ist, wenn Andersdenkenden Anschuldigungen entgegenschlagen und die auf eine Abrechnung mit denjenigen aus ist, die sich bis heute gegen seine Wahl wehren.“