McGuinness - Terrorist oder Friedenskämpfer?

Der ehemalige Vize-Regierungschef von Nordirland, Martin McGuinness, ist im Alter von 66 Jahren gestorben, wie seine Partei Sinn Féin mitteilte. Erst im Januar war er von seinem Amt zurückgetreten und hatte eine Neuwahl ausgelöst. Die Nachrufe auf das ehemalige IRA-Mitglied und den späteren Unterhändler für das Karfreitagsabkommen von 1998 fällen unterschiedliche Urteile über sein politisches Leben.

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The Irish Times (IE) /

Beeindruckender Wandel zum Friedensstifter

Mit seiner Bereitschaft, auf frühere Gegner zuzugehen, ist Martin McGuinness ein Vorbild für alle Politiker in Nordirland, würdigt The Irish Times sein Vermächtnis:

„McGuinness schaffte den Wandel vom militanten Republikaner zu einem Politiker höchsten Ranges. Er nutzte sein Amt als stellvertretender Chef der [aus Unionisten und Republikanern zusammengesetzten] nordirischen Regionalregierung, um gegenseitiges politisches Entgegenkommen und Dialog statt physischer Gewalt zu fördern, um dem Ziel eines vereinigten Irlands näherzukommen. ... Sein erstmaliger Händedruck mit Königin Elizabeth im Jahr 2012 war vermutlich der stärkste Beweis dafür, wie weit ihn seine politische Reise gebracht hatte. Diese Geste erforderte Mut von beiden und war ein wichtiger Meilenstein bei der Festigung des Friedensprozesses. ... Dieser Geist des Kompromisses, den sich McGuinness angeeignet hatte, sollte für alle jene vorbildlich sein, die in den derzeitigen Verhandlungen in Nordirland involviert sind.“

The Daily Telegraph (GB) /

Abkehr von Gewalt kam viel zu spät

Martin McGuinness hätte den bewaffneten Kampf gegen den britischen Staat viel früher aufgeben sollen, klagt The Daily Telegraph:

„McGuinness war nicht vergleichbar etwa mit Nelson Mandela. Dessen Unterstützung für einen bewaffneten Kampf war getrieben davon, dass es keine demokratische Möglichkeit gab, die politische Macht zu übernehmen oder sich auch nur ansatzweise frei politisch zu äußern. In den späten 1960er-Jahren konnten pro-irische Katholiken in Nordirland noch mit einigem Recht behaupten, dass sie vom politischen System ausgeschlossen waren. Dennoch antworteten viele radikale Nationalisten nicht mit Gewalt, selbst nach dem Blutsonntag im Januar 1972, als britische Soldaten 13 unbewaffnete Demonstranten in Derry erschossen. Im Gegensatz dazu entschloss sich McGuinness, einen mörderischen Feldzug gegen den britischen Staat zu führen - obwohl es eine friedliche Alternative gab. Auch führte er diesen Kampf viel zu lange fort.“