Woran krankt die deutsch-polnische Freundschaft?

Meinungsverschiedenheiten gibt es derzeit viele im Verhältnis der deutschen und polnischen Regierung. Nach Differenzen in Bezug auf EU-Politik und die polnische Justizreform sorgten jüngst polnische Reparationsforderungen an Deutschland für Verstimmungen. Journalisten beider Seiten diskutieren, ob die Deutschen die Polen noch immer zu wenig verstehen.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Deutsche wissen nichts von polnischem Leid

Schuld am verschlechterten deutsch-polnischen Verhältnis ist auch die deutsche Ignoranz gegenüber dem Nachbarland, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Für das Selbstverständnis der Deutschen spielt Polen keine große Rolle. Die meisten haben gar kein Verhältnis dazu: Polen ist für sie trotz seiner Größe nur ein Nachbarland unter vielen. ... In der Wahrnehmung der Polen dagegen ist das Verhältnis zu Deutschland eine Existenzfrage - und zwar im wörtlichen Sinne, nachdem die deutschen Besatzer von 1939 bis 1945 einen Vernichtungskrieg gegen die polnische Zivilbevölkerung geführt hatten. Wie brutal die deutsche Besatzung in Polen tatsächlich war, ist in Deutschland auch historisch Gebildeten oft nur unzureichend bewusst. Im Allgemeinwissen ist das Massaker im französischen Oradour-sur-Glane fest verankert, nicht aber, dass in Polen Hunderte Ortschaften das gleiche Schicksal erlitten haben.“

wPolityce.pl (PL) /

Polens Patriotismus ist Deutschen unverständlich

Die Journalistin Krystyna Grzybowska, die in den 1990er Jahren als Deutschlandkorrespondentin tätig war, antwortet auf dem regierungsnahen Portal wpolityce.pl auf den Text der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

„Deutschlands Wirtschafts- und Finanzinteressen in Polen im Hinterkopf versuchen sich einige deutsche Publizisten an einer milderen Meinung über Polen. Dabei sind sie ziemlich unbeholfen. Offensichtlich verstehen sie die Mentalität unseres Volkes nicht, für das Patriotismus der höchste Wert ist. ... Das konservative Polen verdient nach Ansicht des FAZ-Publizisten Erbarmen. Ihm stehe Respekt zu für das, was es erreicht hat. Der Autor schreibt allerdings nichts darüber, weshalb das historische Wissen über die brutale und verbrecherische deutsche Besatzung in seinem Land so gering ist.“