Waffenruhe nach Trumps Machtworten?

Israel und Iran halten sich seit Dienstag offenbar an eine von Donald Trump verkündete Waffenruhe. Vorausgegangen waren tagelanger Raketenbeschuss und ungewöhnlich harte Kritik des US-Präsidenten an den Führungen beider Länder. Die Machtdemonstration aus Washington und die jetzt nötigen Schritte kommentiert Europas Presse.

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France Inter (FR) /

Der Entscheider über Krieg und Frieden

Trumps Vorgehen weckt Sorge um die Weltordnung, urteilt Kolumnist Pierre Haski in France Inter:

Donald Trump wird sich endlos damit brüsten können, dass er im Gegensatz zu seinen Vorgängern die größtmögliche Gewalt gegen den Iran eingesetzt und sich am Ende der Konfrontation als gerecht und großmütig erwiesen hat. Der politische Nutzen ist offensichtlich. … Darüber hinaus macht er unmissverständlich klar, dass er, Donald Trump, nun über Krieg und Frieden in der Welt entscheidet. Das ist sicherlich keine gute Nachricht für die Weltordnung – auch wenn man sich heute nur freuen kann, wenn dieser Krieg tatsächlich beendet ist.“

Večernji list (HR) /

Idiot und Genie zugleich

Trump ist nicht so einfach in eine Schublade zu stecken, stellt Večernji list fest:

„In so vielen von Trumps Taten sieht man Idiotie, beziehungsweise das totale Unvermögen, die schwerwiegenden Folgen von dem, was er tut, zu verstehen. Und zugleich einen Schimmer von Genialität, beziehungsweise das Erreichen von Ergebnissen, von denen man zugeben muss, dass sie einen gewissen Wert besitzen. ... Ein Idiot, weil er ohne jegliche Strategie so einen riskanten Schachzug im Nahen Osten vollzieht. ... Ein Genie, weil er möglicherweise den Gordischen Knoten der Bedrohung wegen des seit Jahrzehnten bestehenden Atomprogramms des Irans zerschlagen hat. ... Vielleicht hat er das Problem schnell und effizient gelöst, besser als es eine diplomatische Lösung geschafft hätte.“

De Volkskrant (NL) /

Rasch Verhandlungen aufnehmen

Ohne politische Lösungen bringen die militärischen Erfolge nichts, warnt De Volkskrant:

„Die diplomatischen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm müssen daher rasch wieder aufgenommen werden. Die schwache Position des Iran muss genutzt werden, um sein Atomprogramm einzuschränken. Die Amerikaner müssen dabei die Führung übernehmen. Nur sie können ernsthaften Druck auf den Iran und Israel ausüben. Leider hat sich Donald Trump bisher als unberechenbarer und unzuverlässiger Verhandlungspartner erwiesen. Die Bombardierung von Fordo im Zuge der israelischen Angriffe ist eine Sache – eine politische Lösung zu finden, die die Welt sicherer macht, eine ganz andere.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Umwälzungen wahrscheinlich

Der Tages-Anzeiger hat eine Vermutung, wer im Iran die Macht an sich reißen könnte:

„Die Islamische Republik ist kein Scheinriese wie das Assad-Regime, aber die Revolutionsgarde, die für ihr Überleben zuständig ist, sie wird erkennen, dass der bisherige Weg nicht weiterführt. Sie wird sich vorbereiten. Diese Militärs stellen neben den Klerikern den wichtigsten Machtblock. Sie könnten die Mullahs aus der Führung vertreiben, offiziell oder im Verborgenen. Das Land würde zur Militärdiktatur, einer neuen Autokratie. ... Dass sich im Iran etwas ändert, ist durch den Krieg wahrscheinlicher geworden. Sei es durch eine Art Putsch von innen oder, irgendwann, durch eine Revolution.“

Rzeczpospolita (PL) /

Über Regime-Sturz nachdenken

Rzeczpospolita reflektiert:

„Der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden besteht möglicherweise darin, das theokratische Regime im Iran zu stürzen. George H.W. Bush stand nach der erfolgreichen Operation 'Desert Storm' und der Befreiung Kuwaits im Jahr 1991 vor einem ähnlichen Dilemma. Damals entschied er sich, nicht noch weiter zu gehen und Saddam Hussein zu stürzen. Zwölf Jahre später musste Amerika erneut in den Irak einmarschieren und erlitt dabei schlussendlich eine Niederlage. Trump hat gewiss über diese Lektion aus der Geschichte nachgedacht.“

Jutarnji list (HR) /

Die EU schaut wieder einmal nur zu

Dass die EU kaum Einfluss auf die Lage hat, bedauert Jutarnji list:

„Manche Dinge sind in der EU einfach irreparabel, zumindest in der jetzigen Konstellation. ... Eine Krise kann beginnen und wieder enden, bis man sich in der EU auf eine Reaktion einigt. ... Der Nahe Osten ist weit von Amerika entfernt und näher an der EU. Europa wird auf jeden Fall mehr unter den Folgen von Konflikten und Spannungen in dieser Region leiden. Doch muss die EU ihr Verhalten ändern, wenn sie mehr Einfluss in einer Region möchte, in der man bisher lediglich diplomatische und politische Unbeholfenheit an den Tag gelegt hat.“