Verhärtete Fronten im Fall Skripal

Im Streit über den Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal hat Großbritannien die Forderung Russlands nach einer gemeinsamen Untersuchung des Falls entschieden abgelehnt. Der britische Außenminister Johnson steht in der Kritik, weil er die Beweislage als eindeutig darstellte. Kommentatoren beobachten, dass London im Fall Skripal viel Seriosität verspielt.

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The Guardian (GB) /

Johnson verspielt britische Glaubwürdigkeit

Der britische Außenminister hat die Beweislage gegen Russland anders dargestellt, als sie tatsächlich ist, und damit Moskau in die Hände gespielt, klagt The Guardian:

„Dass es sich bei dem mysteriösen Attentäter um den russischen Staat handelt, war nie vollkommen sicher. Doch wenn niemand überzeugende Beweise gegen diese Theorie vorlegt, bleibt sie die wahrscheinlichste Erklärung. Daran hat sich nichts geändert. Was sich sehr wohl geändert hat, ist die Glaubwürdigkeit der britischen Regierung, wenn diese behauptet, Russland sei für die Tat verantwortlich. Dass Außenminister Boris Johnson bei seinen Aussagen stark übertrieb, liefert Putin die perfekte Ausrede, alles, was die britische Regierung sagt, in Frage zu stellen. Ob Johnson absichtlich so handelte oder schlicht unbedacht agierte, macht dabei keinen Unterschied. In dieser Situation ist beides unentschuldbar.“

Právo (CZ) /

London sinkt auf russisches Niveau

Schlichtweg abenteuerlich findet Právo die Art, wie Großbritannien mit dem Fall Skripal umgeht:

„Es gab, gibt und wird vermutlich keine überzeugenden Fakten geben. Dafür gibt es die 'Überzeugung', dass hinter dem Angriff auf den Doppelagenten Skripal Moskau steckt. So präsentiert eine hoch angesiedelte Quelle des Geheimdienstes in der Zeitung The Times den Fall. Natürlich bleibt sie ungenannt und ist so nicht zu überprüfen. ... Vielleicht ist Russland schuldig. Aus vielen Gründen ist das sogar sehr wahrscheinlich. Die Briten sollten aber endlich begreifen, dass die Art, wie sie die Causa präsentieren, so nicht geht. Sie lassen sich auf russisches Niveau herab, wo kein Mensch sicher sein kann, was die Wahrheit ist und was nur ein Spiel von Politikern und Geheimdiensten.“

The Times (GB) /

Zu viele im Westen lassen Putin alles durchgehen

Die Kritik am Vorgehen Londons gegen Moskau empört The Times:

„Unter Experten und politischen Entscheidungsträgern zweifelt niemand ernsthaft daran, dass das Gift von Salisbury aus Russland stammt und von einer Regierung eingesetzt wurde - wobei es höchst unwahrscheinlich ist, dass es sich dabei nicht um die russische handelt. ... Was Russlands Schuldfähigkeit betrifft, gibt es im Westen aus verschiedenen Gründen zu viele Menschen, die sich ablenken lassen oder andere gerne ablenken. Dazu zählen Pazifisten, die einen Atomkrieg fürchten, und Anti-Imperialisten, die im Westen den größten Feind sehen. Andere sehen ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet, wenn die Beziehungen mit Moskau leiden. ... Und dann gibt es noch Oppositionelle, die ihrer eigenen Regierung für alles die Schuld geben und ihr grundsätzlich nicht vertrauen.“

NRC (NL) /

Skepsis ist angebracht

Die Zweifel an der Darstellung Großbritanniens im Fall Skripal nehmen zu, beobachtet NRC Handelsblad:

„Man kann nicht leugnen, dass das britische Auftreten sehr unausgereift ist. ... Welche Anzeichen es dafür gab, dass das Gift militärischer Herkunft ist, wurde nie bekannt gegeben. ... Außenminister Johnsons Behauptung, dass es Beweise gibt oder gab, dass Russland in den letzten zehn Jahren Bestände von Nowitschok angelegt hat, ist in den letzten Tagen häufig bestritten worden. Wenn Johnson so sicher war, hätte er die Organisation für das Verbot chemischer Waffen um eine gesonderte Inspektion bitten können. Das hat er allerdings nicht getan.“

Ria Nowosti (RU) /

Propaganda wie vor dem Krieg gegen Saddam

An eine historische Lüge, mit Hilfe derer London vor 15 Jahren schon einmal in den Krieg zog, fühlt sich Ria Nowosti erinnert:

„Es zeigt sich eine genaue Kopie des Propaganda- und Politikschemas, mit dem Großbritannien in den Irakkrieg gezogen wurde, wobei sich die Geschichte sogar in Details wiederholt: Jeremy Corbyn, heute Labour-Chef und der einzige einflussreiche britische Politiker, der gegen die unbewiesenen Anschuldigungen an Russlands Adresse auftrat, sprach sich auch gegen den Irakkrieg aus - aufgrund des Fehlens verlässlicher Beweise für Saddam Husseins Besitz von Massenvernichtungswaffen. Ihn hörte man damals wie heute nicht. Und damals wie heute hat man ihn des Verrats nationaler Interessen beschuldigt.“

Trud (BG) /

Schmierentheater ohne Beweise

Die internationale Reaktion auf den Fall Skripal ist eine einzige Kampagne gegen Russland, kritisiert Trud:

„London hat zwar keine Beweise für die Anschuldigungen, dass Moskau hinter der Vergiftung Skripals und seiner Tochter steckt, doch es wurden bereits russische Diplomaten abgestraft und Russland massiv verunglimpft - ohne eine rechtliche Grundlage. ... So verhielt es sich auch mit den Sanktionen gegen russische Sportler und dem russischen Olympischen Komitee wegen angeblicher Doping-Manipulationen. Es gab keine Beweise, dafür aber harte Strafen, die umso erniedrigender waren, wenn man bedenkt, dass die Sportler offensichtlich unschuldig waren. Der Westen demonstriert der Welt, dass er sich alles erlauben kann. Dass er gleichzeitig als Polizist, Staatsanwalt, Kläger und Richter walten und stets damit durchkommen kann.“