Eroberung Mexikos: Muss Madrid sich entschuldigen?

Zum 500. Jahrestag der Eroberung Mexikos durch Spanien hat der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador Spanien und seinen König Felipe VI. sowie den Vatikan aufgefordert, sich für die Unterwerfung indigener Völker zu entschuldigen. Nicht alle Kommentatoren halten diese Forderung für angemessen.

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Le Courrier (CH) /

Mexikos Präsident legt den Finger in die Wunde

Obrador hat sich ein wichtiges Thema vorgeknöpft, kommentiert Le Courrier:

„Seiner an Spanien gerichteten Aufforderung ist zugute zu halten, dass sie Teil eines umfassenden Vorhabens ist [die indigene Bevölkerung in den Fokus zu rücken]. … Die indigenen Bewegungen wollen einer 'fruchtlosen' Debatte entkommen und fordern, dass sich die Politik auf die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen konzentrieren und sogar Bahnprojekte und den Bau von Wasserkraftwerken in Frage stellen soll, die Umweltverschmutzung und Enteignungen zur Folge haben könnten. Wird es eines Tages möglich sein, seit Jahrhunderten erlittene Ungerechtigkeiten zu kompensieren? Wohl kaum. Doch die Wiederherstellung der historischen Wahrheit und die Anerkennung der Verantwortung durch die [spanische] Krone und die Kirche würde immerhin bedeuten einzusehen, dass die Ungleichheiten kein Zufallsprodukt sind.“

La Reforma (MX) /

Obrador sollte sich an die eigene Nase fassen

Mexikos Präsident sollte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, mahnt hingegen Kolumnist Sergio Sarmento im Blog Jaque Mate der mexikanischen Tageszeitung La Reforma:

„Interessant ist weniger, ob die Eroberung Mexikos einer Entschuldigung bedarf, als vielmehr die Frage, wer diese von wem fordern sollte. Die Spanier, die in Spanien blieben, haben keinerlei Verantwortung für das, was vor 500 Jahren geschah. Wenn jemand Gräueltaten durchführte, waren es die Spanier, die nach Mexiko kamen, es eroberten und hier blieben. 'Er soll sich selbst entschuldigen, da er einen spanischen Nachnamen hat', forderte der spanische Schriftsteller Arturo Pérez-Reverte von Präsident Andrés Manuel López Obrador. Und er hat damit nicht ganz Unrecht.“

El País (ES) /

Annäherung geht anders

Eine bessere Reflexion der Geschichte und ihrer Konsequenzen hält auch El País für nötig - und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks:

„Spanien hat sich als Gesellschaft nicht tiefergehend mit dem während der Eroberung zugefügten Leid auseinandergesetzt. Wohl aus diesem Grund verkennt oder unterschätzt das Land die Intensität der Gefühle, die diesbezüglich viele Bewohner des amerikanischen Kontinents haben. ... Die zweite Anomalie betrifft Obrador selbst. Aus opportunistischen Gründen hat sich der Präsident ein zweifellos bestehendes Gefühl seiner Landsleute zu eigen gemacht, um es für seine politischen Zwecke zu nutzen. Wäre es sein Ziel gewesen, einen Konsens über die bestehenden Jahrestage zu erreichen, hätte er den bereits bestehenden offenen und unaufgeregten Dialog mit der spanischen Regierung fortgesetzt.“