Experten übernehmen in Österreich die Macht

Österreichs Bundespräsident Van der Bellen hat eine Übergangsregierung vereidigt, die Interimskanzlerin Bierlein zur Seite steht. Sie besteht aus Experten - viele Minister waren zuletzt in leitenden Positionen in den jeweiligen Ressorts - und soll die Regierungsgeschäfte bis zur Neuwahl im September führen. Doch in welcher Form: Verwalten oder Gestalten?

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

In der Ruhe liegt die Kraft

Die nun eingesetzte Expertenregierung sollte sich auf das Verwalten des Staats konzentrieren, empfiehlt die Süddeutsche Zeitung:

„Im Parlament herrscht nach der Auflösung der Koalitionsregierung ein freies Spiel der Kräfte, und das setzt auch reichlich destruktive Kräfte frei, die nun alte Rechnungen mit neuen, wechselnden Mehrheiten zu begleichen hoffen. Angesichts dieser Gefahren wird die Übergangsregierung gut daran tun, sich aufs Verwalten zu konzentrieren und das Gestalten der im September zu wählenden neuen Regierung zu überlassen. In ihrem Fall liegt nach aufgewühlten Zeiten tatsächlich in der Ruhe die Kraft - und allein das kann stilbildend wirken für jede Regierung, die sich danach an den Experten messen lassen muss.“

Der Standard (AT) /

Schlau die Handlungsspielräume nutzen

Österreichs Übergangsregierung würde es gut zu Gesicht stehen, auch inhaltlich Akzente zu setzen, glaubt hingegen Der Standard:

„[D]a könnte sich die Regierung bei den vielen jungen Menschen ins Spiel bringen, die aus Sorge um ihre Zukunft auf die Straße gehen und endlich eine Kehrtwende in der Klimapolitik einfordern. ... Klar, die neue Regierung ist in ihrem Handlungsspielraum auf das Parlament und die dort vertretenen Parteien angewiesen. Aber mit ein paar schlauen Vorschlägen und Vorstößen abseits parteipolitisch motivierter Schachzüge und koalitionsbedingter Kompromisse ließen sich die Strategen in den Parteizentralen ordentlich unter Druck setzen.“

Ukrajinska Prawda (UA) /

Kurz wird neue Partner finden

Wie Ex-Kanzler Kurz schon bald wieder ans Steuer kommen könnte, erläutert Politologe Wiktor Sawinok in Ukrajinska Prawda:

„Derzeit schließen die Vertreter der ÖVP eine neue Koalition mit der FPÖ aus. Wichtige Akteure sind nun kleine Parteien. Gute Aussichten auf eine Vertretung im neu gewählten Nationalrat haben die Liberalen von der Partei Neos und die österreichischen Grünen. … Sie liegen derzeit in Umfragen bei acht bis zehn Prozent. Interessanterweise haben die Neos trotz Kritik an der Regierung Kurz als einzige Oppositionspartei das Misstrauensvotum gegen diesen nicht mitgetragen. … Und so ist eine Koalition oder zumindest eine Zusammenarbeit zwischen der Volkspartei und den Liberalen nicht auszuschließen.“