Trump bricht Friedensgespräche mit Taliban ab

US-Präsident Trump hat am Wochenende die Afghanistan-Friedensgespräche mit den Taliban überraschend abgebrochen. Als Grund nannte er einen Anschlag, bei dem auch ein US-Soldat getötet wurde. Geplatzt ist laut Trump damit auch ein für den gestrigen Sonntag geplantes Geheimtreffen mit den Taliban sowie dem afghanischen Präsidenten. Kommentatoren versuchen, die neue Lage zu bewerten.

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Corriere della Sera (IT) /

Eine neue Folge von Trumps Reality-Show

Enttäuscht zeigt sich USA-Korrespondent Massimo Gaggi in Corriere della Sera:

„Gestern hätte der Tag einer spektakulären Ankündigung sein können: Amerikaner und Taliban schließen Frieden. Die Welt hätte Bauklötze gestaunt. … Doch im letzten Moment ist alles geplatzt. Zur Freude der Regierung von Kabul, die von den Verhandlungen ausgeschlossen worden war und Angst hat, durch die Legitimierung der Rebellen ins Abseits gedrängt zu werden. Wut bei den Taliban, die drohen, die USA für Trumps Kehrtwende, die sie für ungerechtfertigt halten, teuer bezahlen zu lassen. Während man in Amerika das Gefühl hat, dass Trump wieder einmal, wie in der Konfrontation mit Kim Jong-un, eine schwierige diplomatische Verhandlung mit einer Reality-Show verwechselt.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Mit den Bärtigen ist kein Frieden möglich

Trumps Erkenntnis kommt reichlich spät, bedauert Der Tagesspiegel:

„[V]on Anfang an hätte ihm klar sein müssen, dass mit den militanten Islamisten keine haltbaren Verträge geschlossen werden können. Schon gar nicht auf Treu und Glauben. ... Schon als sich die erschöpfte Sowjetarmee 1989 aus Afghanistan zurückzog, hatten die Bärtigen alles mögliche garantiert - und sich nicht daran gehalten. Die Taliban verhandeln immer dann pro forma, wenn sie sich kurzfristig einen strategischen Vorteil erhoffen. Ansonsten bestimmt allein der Kampf gegen die 'Ungläubigen' ihr Handeln, der auf Gewalt beruhende Machterhalt und -ausbau. Wenn sie von 'Frieden' reden, meinen sie eine Herrschaft des Terrors und Unterdrückung.“

Malta Today (MT) /

US-Abzug wäre gefährlich

Ohne westliche Unterstützung hat die Regierung in Kabul keine Chance, den Aufstieg der Taliban aufzuhalten, ist Malta Today überzeugt:

„Es gab Behauptungen, dass sich die Taliban mit der derzeitigen Regierung in Kabul wohl auf ein Abkommen zur Teilung der Macht einigen würden. Das ist relativ unwahrscheinlich, denn die Taliban haben bewiesen, dass sie auf dem Schlachtfeld gegen einen Gegner bestehen können, der beachtliche westliche Unterstützung genießt - sowohl in logistischer als auch in militärischer Hinsicht. Fiele diese westliche Hilfe weg, würden sich die Taliban wohl noch besser schlagen. Sie könnten noch mehr Land erobern, bevor sich das Zeitfenster für Kämpfe zu Beginn des Winters schließt, und sich für eine Frühjahrsoffensive 2020 in Stellung bringen.“