Deutsches Gericht verhandelt Folter in Syrien

In Koblenz hat am Donnerstag der Prozess gegen zwei ehemalige Mitarbeiter von Assads Geheimdienst begonnen. Es ist das erste Mal, dass sich Vertreter des syrischen Regimes wegen Folter vor Gericht verantworten müssen. Dem Angeklagten Anwar R. wird zudem die Verantwortung für mindestens 58 Morde zur Last gelegt. Die deutschsprachige Presse würdigt das Verfahren trotz begrenzter Reichweite als wichtiges Signal.

Alle Zitate öffnen/schließen
Deutschlandfunk (DE) /

Gut, dass es das Weltrechtsprinzip gibt

Wie der Prozess überhaupt in Koblenz gelandet ist, erklärt der Deutschlandfunk:

„Es ist derzeit jedenfalls einer der wenigen überhaupt möglichen Orte für eine juristische Aufklärung. Denn: Ein Strafprozess in Syrien selbst gegen Regierungsmitarbeiter wegen Folter? Eher unwahrscheinlich. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag? Blockiert, weil Syrien dem Gerichtshof nicht beigetreten ist. Ermittlungen im Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen? Blockiert von Russland. Was bleibt ist das sogenannte Weltrechtsprinzip, das einige Länder - darunter Deutschland - in ihr nationales Strafrecht übernommen haben. Nach diesem Prinzip können Taten, die im Ausland begangen worden sind und keinen Bezug zum Inland haben - also etwa zu Deutschland, trotzdem hierzulande verfolgt werden. In Deutschland gilt dieses Prinzip seit 2002 - und es ist gut, dass es das gibt.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Immerhin ein bisschen Gerechtigkeit

Die Drahtzieher der Verbrechen bleiben unbehelligt, aber der Prozess ist ein bedeutsamer erster Schritt, meint die Neue Zürcher Zeitung:

„Nun ist es unwahrscheinlich, dass Asad oder andere Verantwortliche ... dereinst vor Gericht kommen. Auch wird die Aussicht auf ein Strafverfahren sie kaum abschrecken, weitere Verbrechen zu begehen. ... Dennoch ist der Prozess in Koblenz von grosser Bedeutung für die Aufarbeitung des syrischen Foltersystems sowie ein erster Schritt, den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen. Auch wenn Asad an der Macht bleiben wird, ist es wichtig, die Verantwortlichkeiten klar zu benennen: Nicht die Jihadisten, nicht die Türken und nicht die Russen haben das meiste Blut in Syrien vergossen. Es ist Asad, der für mehr als drei Viertel der Toten die Schuld trägt.“