Sexualkundeunterricht: Bukarest rudert zurück

Auf Druck der Rumänisch-Orthodoxen Kirche hat das Parlament in Bukarest den erst im März eingeführten verpflichtenden Sexualkundeunterricht teilweise zurückgenommen. Schüler benötigen nun das Einverständnis der Eltern, das Fach wurde in "Gesundheitserziehung" umbenannt. Rumänien zählt zu den EU-Ländern mit den meisten minderjährigen Müttern. Der Unterricht wäre dringend nötig, finden Kommentatoren.

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Adevărul (RO) /

Schule muss ideologiefrei bleiben

Sexualkundeunterricht ist kein Eingriff in die freie Religionsausübung, betont die Politikanalystin Oana Băluţă in Adevărul:

„Verpflichtender Sexualkundeunterricht schränkt Eltern nicht in ihrer Freiheit ein, ihre Kinder nach ihrem Glauben zu erziehen. Die Eltern sind frei, dies nach der Schule und am Wochenende zu tun. Der Staat muss dagegen eine objektive, wissenschaftliche, pluralistische Bildung anbieten, ohne zu indoktrinieren. Wenn wir auf den wissenschaftlichen Charakter der Bildung verzichten, hätten wir in der Schule nicht mehr viel beizubringen. Die Menschen würden sich ständig in ihren religiösen und philosophischen Überzeugungen auf den Schlips getreten fühlen.“

republica.ro (RO) /

Wovor wir die Augen verschließen

Dass Sex in Rumänien derart tabubehaftet ist, trübt den Blick für sexuelle Übergriffe, schreibt die Kinderrechts-Aktivistin Mirela Oprea in republica.ro:

„Wir können oder wollen nicht offen über die Tatsache reden, dass ein Penis, der in eine Vagina eintritt und dort Sperma hinterlässt, zur Geburt eines Kindes führen kann. So 'passiert' es seit jeher. Das ist kein Mysterium, kein Geheimnis. Wir können oder wollen nicht offen über Verhütungsmethoden reden. Darüber, dass Mädchen 'Nein' sagen können, wenn sie nicht wollen. Darüber, dass niemand das Recht hat, jemanden auf eine Weise anzufassen, die ihm nicht gefällt. Darüber, dass es Gesetze gibt, die Kinder vor Sexualverbrechern schützen. Wir tun so, als ob es um Reinheit und Jungfräulichkeit geht, obwohl wir ganz genau wissen, dass es schon in jungen Jahren um Sex geht, denn so ist nun mal die Physiologie und Anatomie.“