Johnsons Corona-Politik: Insider enthüllt Abgründe

"Katastrophales Versagen" zu Beginn der Pandemie - das hat Dominic Cummings der britischen Regierung vorgeworfen, damals wichtigster Berater des Premiers. Boris Johnson habe das Virus nicht ernst genommen, es habe keinen Plan gegeben, Zehntausende Menschenleben hätten durch schnelleres Handeln gerettet werden können. Für Kommentatoren liefert die Anhörung vor dem Unterhaus bittere Erkenntnisse.

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Wiener Zeitung (AT) /

Abgekarteter Rosenkrieg

Cummings, den Johnson im Herbst entlassen hatte, schreckt nun vor nichts zurück, um seinem Ex-Chef zu schaden, beobachtet die Wiener Zeitung:

„Die brutalste und direkteste Kritik kommt verlässlich von ehemaligen Verbündeten und Partnern, das gilt für die Politik wie das Privatleben. ... Zur Erhöhung seiner Glaubwürdigkeit als Kronzeuge gegen Johnson nahm sich Cummings nicht einmal selbst aus. Auch er habe versagt und Fehler begangen ... Man beachte: Eine besondere Sorte Mensch entschuldigt sich erst dann für eigene Fehler oder Vergehen, wenn diese Entschuldigung andere in einem noch schlechteren Licht erscheinen lässt.“

The Guardian (GB) /

Tödliches Chaos mit System

Auch wenn Cummings eigene Motive für die Kritik hat, so beweisen seine Enthüllungen doch, wie unfähig Johnson ist, meint The Guardian:

„Dass Boris Johnsons Charakter Grund war für Verwirrung, Verzögerungen und im weiteren Sinne auch für Tod, kam wieder ans Tageslicht. Cummings berichtet, dass der Premier 'Chaos' als Regierungsmethode mag, weil es andere zwingt, sein Urteil abzuwarten und so seine Macht gestärkt wird. Das steht mit anderen Darstellungen von Johnsons Modus Operandi im Einklang: das Kabinett schwach halten, sich selbst widersprechen, öffentliche Falschaussagen treffen, politische Erklärungen abgeben und tags darauf die Kehrtwende. ... Das wäre schon unter normalen Umständen problematisch. In einer Pandemie hat es sich als tödlich erwiesen.“

Dagens Nyheter (SE) /

Parallelen zu Schweden

Dagens Nyheter vermerkt ein Déjà-vu:

„Schweden hat im Frühjahr 2020 ebenfalls schwerwiegende Fehler gemacht, und die Parallelen zu Großbritannien sind augenfällig. Dass man gewappnet sein würde, mit der Schutz- und Bereitschaftsbehörde, war reines Wunschdenken. Maßnahmen wurden verspätet oder gar nicht getroffen. Die große Verbreitung der Infektion in der Gesellschaft führte dazu, dass ältere Menschen nicht geschützt wurden, wie die [schwedische] Corona-Kommission feststellte. Großbritannien war kein Vorbild. Schweden auch nicht. Der Impfstoff wird die Rettung beider Länder sein.“