Feinstaub: Ist die Strafe für Frankreich richtig?

In Frankreich hat der Staatsrat den Staat wegen unzureichender Bekämpfung der Luftverschmutzung im ersten Halbjahr 2021 zu einer Strafe in Höhe von 10 Millionen Euro verurteilt. Obwohl sie seit über zehn Jahren gelten, werden die Feinstaubhöchstwerte in mehreren Städten weiterhin überschritten. Geklagt hatten mehrere Umweltschutzorganisationen. Doch Kommentatoren streiten darüber, inwiefern die Justiz Umweltpolitik mitgestalten sollte.

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Le Quotidien (LU) /

Französische Justiz zeigt, wie es geht

Le Quotidien hofft, dass die jüngst in Frankreich gefällten Urteile zum Umweltschutz eine Signalwirkung für ganz Europa haben:

„Die [aktuelle] Verurteilung folgt auf eine andere 'historische' Entscheidung des Staatsrats, die ebenfalls Ausdruck davon ist, dass es weltweit immer mehr juristische Möglichkeiten gibt, um Staat und Unternehmen zum Schutz unseres Planeten aufzufordern. So haben die Richter dem Staat am 1. Juli neun Monate Zeit gegeben, um weitere Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu ergreifen. Dank der Mobilisierung von NGOs und Bürgern nimmt sich die französische Justiz des Problems Umwelt- und Klimaschutz an. ... Die Justiz wird sich also des Klimanotstands bewusst. Zumindest in Frankreich. Mögen diese Urteile Gerichte andernorts in Europa inspirieren.“

Le Figaro (FR) /

Demokratischer Missstand

Das Regierungshandeln darf nicht länger richterlichen Beschlüssen unterworfen sein, protestiert Ökonom Christian Saint-Étienne in Le Figaro:

„Nur die Legislative kann Gesetze verfassen und der Regierung Pflichten auferlegen. Im Rahmen des so geschaffenen Rechtsstaats versucht diese dann, das Land so gut sie kann voranzubringen. ... Dabei macht sie Fehler, verzeichnet langfristig aber auch Erfolge. Die Regierungspolitik zu bewerten, ist nicht Aufgabe des Richters, sondern die eines parlamentarischen Amts zur Beurteilung der staatlichen Maßnahmen unter Kontrolle der gewählten Volksvertreter. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass ein solches Amt existiert. ... Es muss dringend mittels einer parlamentarischen Verfassungsänderung eingerichtet werden.“