Orbán auf "Friedensmission" bei Putin

Mitten im Ukraine-Konflikt ist Ungarns Premier Orbán zu Putin gereist - nach eigenen Aussagen zu einer "Friedensmission“. Außerdem ging es um zusätzliche Gaslieferungen, die der Kreml-Chef zusagte. Kritiker werfen Orbán schon länger vor, sich zu sehr in russische Abhängigkeit zu begeben, etwa auch beim Thema Impfstoff. Was steckt hinter dem Besuch?

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Magyar Nemzet (HU) /

Geschäft ist noch keine Freundschaft

Der Besuch soll nicht als politische Annäherung verstanden werden, betont Magyar Nemzet:

„Auf den Bildern aus Moskau ist zu beobachten, dass die beiden Staatsführer von einem großen, ovalen Tisch getrennt waren; symbolisch gesehen ist dieser Raum die Ukraine. Egal, wie viel sich die beiden Länder in den vergangenen 30 Jahren verändert haben, die geopolitische Realität hat sich kaum verändert, und die Distanz bleibt. ... In der Hoffnung eines guten Geschäftes kann man sich jedoch auf den Weg machen, und der ungarische Premier ist auch diesmal nicht mit leeren Händen nach Hause gekommen. ... Es wurde entschieden, mit Verhandlungen über eine weitere Steigerung der Gaslieferungen um jährlich eine Milliarde Kubikmeter zu beginnen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Ungarisches Veto schon in der Tasche

Orbán betreibt immer offe­ner das Spiel des russi­schen Präsi­den­ten, empört sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Sein Außen­mi­nis­ter preist die Bezie­hun­gen seines Landes zu Russ­land und kriti­siert die Ukrai­ne, sein Vertei­di­gungs­mi­nis­ter stellt die Verstär­kung der Ostflan­ke der Nato infra­ge, und Orbán selbst gibt in Moskau den Freund Putins und bekommt dafür eine Verein­ba­rung über Gaslie­fe­run­gen zu einem besse­ren Preis als der Rest Euro­pas. Es drängt sich die Frage auf, ob Putin sich damit wenige Monate vor der Wahl in Ungarn ein Veto Buda­pests gegen EU-Sank­tio­nen bei einem Über­fall auf die Ukrai­ne gekauft hat.“

Ria Nowosti (RU) /

Ein Sturkopf, wie der Kreml-Chef ihn mag

Ria Nowosti lobt Ungarns Premier als Staatsmann von Putins Kaliber:

„Orbán ist nicht nur der erfahrenste aller europäischen Staatenlenker, er ist auch der sturste in der Verteidigung seiner Prinzipien. Aber das ist keine Dickköpfigkeit wie bei der polnischen Führung, die unter Einhaltung ihrer konservativen Werte versucht, auf Russophobie und einen Streit zwischen Deutschland und Russland zu setzen. Orbáns Sturheit beruht nicht auf dem Versuch, Gegensätze zwischen Großmächten auszunutzen und erst recht nicht auf deren Provokation, sondern auf dem Beharren auf den eigenen Interessen. Deshalb wird Orbán von vielen geschätzt - als Mensch, der sich nicht fürchtet, mächtige übernationale Kräfte herauszufordern. Dafür schätzt ihn auch Putin.“

Sme (SK) /

Falsche Prioritäten

Statt mit Putin zu kuscheln, sollte sich Orbán seinen polnischen Amtskollegen zum Vorbild nehmen, rät Sme:

„Ungarn und Polen werden aus irgendeinem Grund oft in einem Atemzug genannt - obwohl die Situation in Polen viel gesünder ist. Der entscheidende Unterschied, warum es ein Fehler ist, sie unter einen Hut zu stecken, ist die Geopolitik: Gerade als Orbán mit Putin kuschelte, verhandelte sein polnischer Kollege Morawiecki in Kyjiw. Und auf dem Tisch lagen nichts weniger als Rüstungslieferungen und ein neues überregionales Kooperationsformat - Ukraine, Polen, Großbritannien.“