Verlag nimmt Winnetou-Bücher aus den Regalen

Der Ravensburger Verlag hat nach heftiger Kritik an "rassistischen Stereotypen" entschieden, begleitende Bücher zum aktuellen Kinderfilm Der junge Häuptling Winnetou vom Markt zu nehmen. Damit wolle man der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Rechnung tragen und "kulturelle Aneignung" vermeiden. Darf man über die Verbannung von Winnetou und Old Shatterhand traurig sein?

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Tageblatt (LU) /

Das geht zu weit

Für das Tageblatt ist die Entscheidung des Verlags schwer nachvollziehbar:

„Schade ist, dass der 1883 gegründete deutsche Verlag sich nun vermutlich in die Hände von Erpressern begeben hat. Denn: heute Winnetou, morgen Yakari, dann vielleicht Wickie oder andere Schriften und irgendwann heißt es: 'Wir übergeben den Flammen!' [Anspielung auf eine Rede von NS-Reichsminister Goebbels 1933] ... Empörung muss man zulassen und beobachten, was sie anrichtet. ... Bedenklich wird es, wenn das Bellen zu Autozensur führt, zu vorauseilendem Gehorsam, gar zu Gesetzen und Vorschriften. Wenn Bücher und Künstler aus dem Verkehr gezogen, Menschen kritisiert werden, weil sie nicht in das limitierte Weltbild einiger weniger passen, dann muss man Stopp sagen und ein Zeichen setzen für die Freiheit.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Man muss auch loslassen können

Die taz fordert Einsicht:

„Wer mit Karl Mays Winnetou-Universum aufgewachsen ist, hat vermutlich viel Kindheitszeit damit verbracht, sich in diese Welt hineinzuträumen, in einen 'Wilden Westen', wo nach aufregenden Abenteuern das vermeintlich Gute siegt. ... So jemanden kann es auch als Erwachsenen hart treffen, wenn im Nachhinein all das für schlecht erklärt wird. Das ist verständlich ... . Und man kann Kindern von damals nicht vorwerfen, stereotype Darstellungen indigener Menschen nicht erkannt zu haben. Das nötige Wissen war nicht überall. Heute aber ist das der Fall. ... Man muss auch loslassen können.“

Kurier (AT) /

Das Ende eines Helden

Die Tageszeitung Kurier sieht im Rückzieher des Verlags einen schweren Fehler:

„Der Held für Generationen deutschsprachiger Kinder, das Sinnbild für Tapferkeit und Freundschaft, darf nicht mehr gut sein. ... Und welches Kind, dem man zugleich erklärte, dass die blumigen Erfindungen des Karl May mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben, hat von den Abenteuern Winnetous und Old Shatterhands Schaden genommen? Welches indigene Kind nimmt Schaden, wenn ein deutsches im Buch zum Winnetou-Film blättert? ... Noch steht das Gesamt-Werk Karl Mays in den Bücherregalen, aber wie lange noch?“