Italien: Dekret gegen Rave oder mehr?

Die Regierung von Giorgia Meloni hat in Reaktion auf eine illegale Rave-Party bei Modena eine restriktive Verordnung beschlossen. Das Betreten von Grundstücken oder Eindringen in Gebäude soll künftig mit Haftstrafen von bis zu sechs Jahren geahndet werden können, wenn mehr als 50 Personen zusammenkommen, die die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Gesundheit gefährden. Die Presse ahnt Böses.

Alle Zitate öffnen/schließen
La Stampa (IT) /

Offenes Tor für Überwachung

Den Behörden werden hier willkürliche Repressionen ermöglicht, befürchtet La Stampa:

„Es handelt sich um eine Rechtsvorschrift, die auf Überwachung, Erfassung, präventive Unterdrückung, Abschreckung und Bestrafung aller abzielt, die sich an öffentlichen oder privaten Orten (privaten!) versammeln und die 'öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit' gefährden. Das heißt immer und jeder. Jede studentische Versammlung oder Besetzung, Streikposten in Fabriken oder an Arbeitsplätzen. ... Aber auch Privatpartys: sogar ein Junggesellenabschied im Haus eines Freundes, wenn zum Beispiel ein Nachbar eine Gefahr für die Gesundheit (seine? die des Partygängers?) oder für die Ordnung und Sicherheit sieht, was auch immer das sein mag. Wer legt die Kriterien für die Gefahr fest?“

Corriere della Sera (IT) /

Das muss man korrigieren

Das Parlament, das aus der Verordnung bis Jahresende ein Gesetz machen muss, wird die Formulierungen nachbessern müssen, meint Rechtsexperte Giovanni Bianconi in Corriere della Sera:

„48 Stunden nach seiner Verabschiedung durch den Ministerrat weist das von Innenminister Matteo Piantedosi vorgelegte Anti-Rave-Dekret mindestens zwei kritische Punkte auf, deren Prüfung sogar Vertreter der Regierungskoalition fordern: die übermäßige Vagheit der Vorschrift in der Definition 'des willkürlichen Eindringens in fremde Grundstücke oder Gebäude, öffentliche oder private' und die Möglichkeit des Lauschangriffs bei der Suche nach mutmaßlichen Verantwortlichen des Vergehens.“

Salzburger Nachrichten (AT) /

Menetekel für weitere harte Entscheidungen

Meloni sucht Politikbereiche, in denen sie ihre extremen Ansichten umsetzen kann, glauben die Salzburger Nachrichten:

„Die Ministerpräsidentin weiß um den begrenzten Spielraum ihres Landes. Energiekrise, Inflation und Rezession tragen dazu bei, dass Meloni keine extravagante Politik betreiben kann. Das alles bedeutet nicht, dass Italien in anderen Politikbereichen ebenfalls ein verlässlicher Partner bleibt, Beispiel Migrations- und Sicherheitspolitik. Das übertrieben harte Gesetzesdekret gegen sogenannte Rave-Partys ist ein Hinweis auf zahlreiche bevorstehende harte Entscheidungen. Und die Blockade der Rettungsschiffe im Mittelmeer ist nicht nur ein Problem für die festgehaltenen Migranten, sondern vor allem auch für die Partner in der Europäischen Union.“