Was bleibt von der WM in Katar?

Mit einem Fußball-Krimi und einem Sieg für Argentinien ist am Sonntag die Weltmeisterschaft in Katar zu Ende gegangen. Frankreichs Präsident Macron fieberte beim Finale im Stadion bei Doha mit seiner am Ende sieglosen Nationalelf mit. Europas Presse zieht Bilanz einer WM, von der viele im Vorfeld gefordert hatten, sie zu boykottieren.

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Aargauer Zeitung (CH) /

Die wohl friedlichste Fußball-WM der Geschichte

Die Aargauer Zeitung meint:

„Vielleicht ist es eben doch so, dass diese WM dazu beitrug, unser Verständnis gegenüber der arabischen Welt zu verbessern. Jedenfalls berichten die Besucher von warmherzigen, hilfsbereiten Menschen. Von Gastarbeitern, die stolz darauf sind, Teil dieser Veranstaltung zu sein. Und natürlich von einer Organisation, wie sie besser kaum sein könnte. … Außerdem war es die wohl friedlichste WM der Geschichte, was mit dem schwierigen Zugang zu alkoholischen Getränken zusammenhängt. Jedenfalls sahen wir weder Faschisten im Stadion wie an der EM 2021 in Budapest, wir sahen auch keine russischen Hooligans wie an der WM 2018 oder fürchterliche Krawalle wie an der EM 2016 in Frankreich, wo 1.550 Personen festgenommen wurden.“

El País (ES) /

Brot und Spiele

Der Rechtswissenschaftler Joseph Weiler wirft in El País allen Scheinheiligkeit vor:

„Die Fifa übertrifft jeden römischen Kaiser, wenn es darum geht, diese moderne Version von panem et circum auszuweiden. Und wir können dem Charme nicht widerstehen. ... Das schöne Spiel verbirgt seine hässlichen Meister. ... Und nun hat Infantino mit seinen Rechtfertigungen von keiner geringeren als der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Konkurrenz bekommen. Nicht die EU-Institutionen selbst haben den Skandal aufgedeckt, sondern die belgische Polizei und die Geheimdienste. Das Gleiche gilt für die Fifa. ... Das FBI war nötig, um das Regime von [Ex-Fifa-Präsident] Joseph Blatter zu stürzen. ... Die Macht von Brot und Spielen.“

Le Soir (BE) /

Wachsam bleiben

Der Glanz der Spiele darf nicht vom Wesentlichen ablenken, warnt Le Soir:

„Der Ball beginnt zu rollen und schwupps, 'schlucken' wir alles von Katar - insbesondere das Geld, das im Rhythmus des Gases in die Wirtschaft fließt und das vor und während dieser WM viel gekauft hat: Museen, Unternehmen, Fußballmannschaften - darunter PSG, das symbolträchtige Trojanische Pferd des Sports, der Verein von Mbappé und Messi. … Doch die eigentliche Ermahnung zur Wachsamkeit kam von der belgischen Staatssicherheit: Während die Fußballwelt wie hypnotisiert die Spiele verfolgte, brachten Ermittler und ein 'kleiner Richter' das Verhalten von Europäern ans Licht, die im Verdacht stehen, ihre Seele für ein paar marokkanische und katarische Dollar verkauft zu haben.“

De Volkskrant (NL) /

Nächsten Skandal frühzeitig verhindern

Saudi-Arabien will gemeinsam mit Ägypten und Griechenland die Fußball-WM 2030 austragen. Das muss verhindert werden, fordert De Volkskrant:

„Katar hat das Gefühl, dass es durch diese WM mit dem westlichen Moralismus abgerechnet hat. Diese Haltung könnte für die neuen Machtverhältnisse in der Welt symbolisch sein. Westliche Länder, die um Gas aus Katar betteln, sind nicht in der Lage, die Verletzungen der Menschenrechte anzusprechen. ... Westliche Fußballverbände wie der niederländische KNVB werden hart kämpfen müssen, um zu verhindern, dass die WM 2030 wieder missbraucht wird, um verbrecherische Regime reinzuwaschen. ... Dennoch dürfen sie ihre Macht nicht unterschätzen. Ohne die europäischen Mannschaften ist eine WM nicht viel.“

The Independent (GB) /

Ambiguität aushalten

Das Bewusstsein über Missstände und der Genuss eines Sportereignisses schließen einander nicht aus, meint The Independent:

„Als Übung für eine globale Sensibilisierung hat die Weltmeisterschaft mehr erreicht, als wenn ihr ein oder zwei Länder ferngeblieben wären. Es ist schließlich möglich, einen Sportwettbewerb zu genießen und sich gleichzeitig seiner kompromittierten Moralität bewusst zu sein. Der britische Fußball ist doch auch schon längst von einigen Reichen dieser Welt abhängig. Die Idee, Fußball in der Wüste auf bewässertem Rasen und in gekühlten Stadien zu spielen, ist natürlich eine ökologisch unhaltbare Torheit - und doch hat, was sich dort auf den Fußballfeldern entfaltete, für einen Zauber gesorgt, der Unterhaltung und positive Stimmung lieferte.“