Rechtsextreme planen Massenvertreibung aus Deutschland

Recherchen des Netzwerks Correctiv zufolge haben sich im November AfD-Politiker, Rechtsextreme sowie ausgewählte Unternehmer und weitere Gäste in einem Hotel nahe Potsdam getroffen. Dort sprachen sie über Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Europas Presse ist empört, schöpft aber auch Hoffnung aus den Großdemos gegen Rechtsextremismus.

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Il Fatto Quotidiano (IT) /

AfD zeigt ihre finstere Seite

Nun wird deutlich, welche Gefahr die AfD darstellt, warnt Il Fatto Quotidiano:

„Abgeordnete wie Matthias Helferich beharren obsessiv auf dem Konzept der 'Remigration', posten mit Künstlicher Intelligenz generierte, vage neonazistisch anmutende Propagandabilder in den sozialen Medien und erstellen Zusammenfassungen über die Vorteile von Massenabschiebungen, von Einsparungen für den Sozialstaat bis hin zu niedrigeren Immobilienpreisen aufgrund der Bevölkerungsreduktion. … Die von der AfD kultivierten ethnischen Reinheitsphantasien von Deutschland offenbaren in jüngster Zeit das dunkle Gesicht der Partei, die seit März 2021 vom Verfassungsschutz als 'Verdachtsfall' einer Gefährdung der demokratischen Ordnung beobachtet wird.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Grenzen des Sagbaren werden verschoben

Für die AfD und Rechtsextremist Martin Sellner ist es ein großer Erfolg, dass ihr Treffen aufflog, glaubt die taz:

„Die breite Berichterstattung trägt ... unfreiwillig dazu bei, dass das Schlagwort 'Remigration' nun in aller Munde ist. Es ist das erklärte Ziel von Martin Sellner und [des AfD-nahen Publizisten] Götz Kubitschek, diesen Begriff in die Debatte einzubringen und damit die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, um ihn gesellschaftsfähig zu machen. Das ist ihnen gelungen. ... Was bislang undenkbar schien, wird nun zwar als extreme Idee wahrgenommen, aber dadurch auch denkbar. Kritiker müssen das ernst nehmen und darauf reagieren, wodurch die Idee plötzlich diskutabel erscheint.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Bis in die CDU anschlussfähig

Wie weit AfD-Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft reicht, fragt sich Gazeta Wyborcza:

„Für die Deutschen ist das Treffen, zu dem wichtige Funktionäre der rechtsradikalen AfD, deren Aktivisten und sogar mit ihnen sympathisierende CDU-Mitglieder eingeladen wurden, ein politischer Schock. ... Die Anwesenheit von Mitgliedern der CDU sowie christdemokratisch geprägter Vereinigungen wie der konservativen Werteunion und des Vereins Deutsche Sprache könnte darauf hindeuten, dass es auch in dieser Partei einen Unterstützerkreis für die von der AfD propagierte Migrationspolitik gibt.“

Lidové noviny (CZ) /

Fatale Folge einer dysfunktionalen Opposition

Lidové noviny erklärt den wachsenden Einfluss der AfD so:

„Hinter den Problemen Deutschlands steckt seit Jahren eine dysfunktionale Opposition. Kanzlerin Merkel hat in ihren 16 Jahren an der Macht den Unterschied zwischen Regierung und Opposition verwischt. Einer ihrer Lieblingsausdrücke war 'alternativlos'. Wer keine Migranten, keinen Atomausstieg oder keine grüne Transformation wollte, dem blieb keine andere Wahl als die AfD. Auch wenn das die Wahl von Radikalen mit finsteren Tendenzen bedeutete. ... Wo ist jetzt die Alternative? In einem Parteiverbot der AfD? Oder darin, dass traditionelle Parteien echte Alternativen zur Regierung bieten? “

The Guardian (GB) /

Verbot wäre kontraproduktiv

Die nach dem Bekanntwerden des Treffens verstärkt gestellte Forderung eines Parteiverbots ist für The Guardian keine Lösung:

„Das dürfte angesichts hoher juristischer Hürden schwer zu erreichen sein. Vielleicht noch wichtiger ist aber, dass so ein Verfahren das Risiko birgt, kontraproduktiv zu wirken, indem es der Anti-Establishment-Attitüde der AfD Glaubwürdigkeit verleiht, in einer Zeit in der die Partei ohnedies ein erhebliches politisches Momentum erlebt. ... Die AfD ist zu einem populistischen 'Ventil' für ein weit verbreitetes Krisengefühl geworden. Um dem zu begegnen, muss die politische Klasse aus dem Mainstream größeren Einsatz und mehr Einfallsreichtum an den Tag legen.“

The Spectator (GB) /

Das Momentum der Empörung nutzen

Der Skandal könnte der AfD ernsthaft schaden, analysiert The Spectator:

„Die Nachrichten der vergangenen Woche scheinen vielen Deutschen die Augen für die Tatsache geöffnet zu haben, dass die AfD nicht nur eine Heimat für unzufriedene rechtsgerichtete Wähler ist, sondern eine Partei, die den Wunsch – und möglicherweise bald auch die Macht – hat, das demokratische Fundament des Landes zu kippen. ... Wenn es Scholz oder einem anderen Parteivorsitzendem gelingt, aus der Empörung, die das Geheimtreffen in Deutschland ausgelöst hat, Kapital zu schlagen, könnte das den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Partei stoppen.“