Rumänien: Pro-Europäer Dan gewinnt Präsidentenwahl
Der bisherige Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan ist neuer Präsident von Rumänien. Der parteilose Liberalkonservative, der als bekennender Pro-Europäer in den Wahlkampf gezogen war, bekam bei der Stichwahl am Sonntag rund 54 Prozent der Stimmen. Damit überholte er George Simion von der rechtsradikalen AUR-Partei, der rund 46 Prozent erreichte. Kommentatoren analysieren das Ergebnis und künftige Herausforderungen.
Ängste haben Wähler zu den Urnen getrieben
G4Media.ro betont, dass Rumänien an einer extremistischen Zukunft gerade noch vorbeigeschrammt ist:
„Die Angst vor der Zukunft hat die Unentschlossenen und einen Teil der Nichtwähler dazu bewegt, zur Wahl zu gehen. Auch wenn ihnen Nicușor Dan als Kandidat nicht gefallen hat, haben sie gegen die Gefahr gestimmt, dass das Land in die Hände von George Simion und seiner AUR-Partei gelangt. Die Angst vor der Abkehr vom westlichen Weg, die Angst vor einem Austritt aus der EU, die Angst vor einer neuen Diktatur, die Angst vor dem wirtschaftlichem Bankrott – eine Vielzahl von Ängsten – haben eine Menge Menschen an die Wahlurne getrieben. ... Rumänien rettet sich in letzter Minute vor der Gefahr des Extremismus - zumindest vorerst.“
Enorme Mobilisierung
La Repubblica sieht den Grund für den Sieg Dans in der hohen Wahlbeteiligung:
„Der Bürgermeister von Bukarest mit dem Kindergesicht, Nicușor Dan, hat gewonnen, und die jungen Leute skandieren um zehn Uhr abends vor dem majestätischen Boulevard Elisabeta 'Europa, Europa'. Bei den Präsidentschaftswahlen überholte der liberale Kandidat seinen ultrarechten Konkurrenten George Simion, der im ersten Wahlgang mit 41 Prozent noch doppelt so viele Stimmen [wie Dan] erhalten hatte. Eine enorme Mobilisierung führte dazu, dass 65 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gingen: Vor zwei Wochen waren es nur etwas mehr als die Hälfte gewesen. Dan gewann mit rund 54 Prozent der Stimmen: ein beeindruckendes Aufholmanöver.“
Entscheidung für einen würdevollen Kandidaten
Es war kein leichter Sieg für Nicușor Dan, erinnert republica.ro:
„Nicușor Dan wurde auf eine in der rumänischen Politik noch nie da gewesene Weise angefeindet. Sogenannte Internet-Experten stellten medizinische Diagnosen an, er und seine Familie wurden persönlich angegriffen. ... Das sind Dinge, über die nur wenige hinwegkommen. Und erst recht nicht auf elegante Weise. ... Doch Nicușor Dan hat genau das geschafft: diesen schmutzigen und unmenschlichen Angriffen, denen er während des gesamten Wahlkampfs ausgesetzt war, mit Eleganz zu begegnen. Die höfliche und würdevolle Art, mit der er seinen politischen Kampf geführt hat, hat Eindruck gemacht. Sowohl auf die Menschen, die ihn ohnehin gewählt hätten, als auch auf einen bedeutenden Teil derjenigen, die ihn ursprünglich vielleicht nicht wählen wollten.“
Ein zersplittertes Land neu zusammenfügen
Rumänien ist gespalten, warnt La Stampa:
„Für den neuen Präsidenten stellt sich nun eine komplizierte Aufgabe. Die gemäßigten Kräfte der Rechten und der Linken haben die Wähler auf die Europäische Union eingeschworen, aber Dan darf nicht vergessen, dass es nach wie vor einen beträchtlichen Teil der Bürger gibt, vor allem in den entlegeneren und abgelegensten Regionen des Landes, die sich kritisch und verärgert gegenüber der Union geäußert haben. Achtzehn Jahre nach dem Beitritt Rumäniens wird das Land immer noch als Heimat von Eliten und Privilegierten gesehen. ... Im Rumänien nach der Wahl wehen die Winde der Krise und des Protests weiter: Es liegt nun an dem Gewinner, ein zersplittertes Land neu zusammenzufügen.“
Im Dienste eines modernen europäischen Staates
Laut Libertatea muss das Staatsoberhaupt nicht unbedingt der Liebling aller Bürger sein:
„Die Aufgabe des Staatschefs ist es, die demokratische Zukunft des Landes zu sichern, die Rechtsstaatlichkeit zu festigen sowie die Rechte der Bürger und den Wohlstand zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund muss Nicușor Dan jetzt schnell und entschlossen handeln. ... Rumänien braucht keinen Präsidenten aller Rumänen, es braucht einen Präsidenten, der den Bestrebungen eines europäischen, modernen, prosperierenden und gebildeten Rumäniens dient. Nicușor Dan war auch nicht der Bürgermeister aller Bukarester, was nicht hieß, dass er kein guter Bürgermeister war. Er hat schwierige Entscheidungen getroffen, aber korrekte. So muss er auch im Präsidentenpalast agieren. “