EU-Großbritannien-Gipfel: Man ist sich wieder nahe
Es war das erste solche Gipfeltreffen seit dem Brexit vor fünf Jahren: Die Führungen von Europäischer Union und Vereinigtem Königreich haben am Montag in London ein Abkommen unterzeichnet, das den Weg zu einer engeren Zusammenarbeit öffnet. Vor allem in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit und Handel soll die Kooperation nach dem britischen EU-Austritt nun wieder intensiviert werden. Was hält die Presse davon?
Ein guter Auftakt
Dieses Abkommen ist das richtige Signal, meint The Guardian, wünscht sich aber mehr Tempo bei der Wiederannäherung an die EU:
„Mit diesem moderaten Abbau der von den Tories errichteten Barrieren möchte die Regierung den Wählern zeigen, dass sie rational und verantwortungsbewusst handelt und die Interessen der britischen Unternehmen und Verbraucher an erste Stelle setzt. Es hätte nach dem Referendum nicht neun Jahre dauern dürfen, bis dieser Schritt vollzogen wurde. Eine Gruppe von etwa 60 Labour-Abgeordneten drängt die Regierung zu Recht zu mehr Ehrgeiz – ermutigt durch Umfragen, denen zufolge die Mehrheit der Wähler den Brexit inzwischen für einen Fehler hält. Die Personenfreizügigkeit bleibt jedoch eine rote Linie.“
Erheblicher Protest ist absehbar
Starmers Neustart mit der EU dürfte besonders in drei Punkten heftige politische Gegenreaktionen hervorrufen, prognostiziert The Spectator:
„Der erste ist die Abschaffung der Kontrollen für Agrarexporte aus dem Vereinigten Königreich, wenn eine 'rechtzeitige dynamische Angleichung' an die EU-Vorschriften und -Standards erfolgt. Großbritannien kann 'angemessen' zur Festlegung von Vorschriften und Standards beitragen, hat aber kein Vetorecht. Der zweite Aspekt betrifft die Fischerei: Die EU erhält bis Juni 2038 'uneingeschränkten, gegenseitigen Zugang' zu den britischen Gewässern. ... Der dritte Aspekt betrifft das Emissionshandelssystem, das der EU wieder Kontrolle über die britische Industriepolitik geben könnte.“
Starmer hat eine Chance vertan
Starmer fällt es immer noch schwer, alte Brexit-Tabus aufzugeben, beklagt das Handelsblatt:
„Weil er sich nicht vorwerfen lassen will, die Personenfreizügigkeit wieder einzuführen, bremst er sogar bei der Forderung der EU nach mehr Jugendmobilität. Dabei liegen die gemeinsamen Vorteile nirgends so klar auf der Hand wie hier: Wenn junge Menschen auf der jeweils anderen Seite des Ärmelkanals studieren oder eine Ausbildung absolvieren dürfen, profitieren alle: Die Teilnehmer erweitern ihren Horizont, die Unternehmen gewinnen Fachkräfte, und die Gesellschaften profitieren von mehr Verständnis füreinander. Eine [konkrete] Einigung in dieser Frage wäre ein echtes Signal für den Neuanfang gewesen. Doch diese Chance hat Starmer vertan.“