Polnische Grenzkontrollen: Wohin führt das?
Polen will ab nächster Woche vorübergehend Kontrollen an seinen Grenzen zu Deutschland und Litauen einführen. Das sei eine Reaktion auf die deutschen Grenzkontrollen, erklärte Premierminister Donald Tusk. Er habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt. Eigentlich sind im Schengen-Raum die Grenzen offen. Kommentatoren analysieren Motive und debattieren mögliche Folgen.
Ein innenpolitisches Spektakel
Das Onlineportal Interia hält die neuen Grenzkontrollen für ein innenpolitisch motiviertes Spektakel:
„Da die Regierung von Donald Tusk nach der Wahlniederlage eindeutig geschwächt ist, schlagen die PiS-Politiker auf sie ein wie auf eine Trommel. ... Genau aus dem gleichen Grund, nämlich der eigenen Schwäche, muss die Tusk-Regierung etwas unternehmen. Deshalb hat sie großspurig die Einführung von Kontrollen auf polnischer Seite angekündigt. Die Worte von Außenminister Sikorski bahnen den Weg, ein Problem zu lösen, das es nicht gibt. Im Dienste des Machtkampfs, der sich tatsächlich abspielt.“
Schengen-Idee geopfert
Die Süddeutsche Zeitung kritisiert:
„Eine alberne Trotzreaktion – auf ein ebenso albernes deutsches Grenztheater. Beide Regierungen gemeinsam haben die Reisefreiheit im Schengen-Raum geopfert – weil sie sich von den Rechtsextremen und Rechtsnationalen in ihrem Land vor sich hertreiben lassen, statt an echten Lösungen zu arbeiten. ... Mit ihrer Angst vorm jeweiligen innenpolitischen Gegner, dem ständigen Schielen auf die nächsten Umfragen haben beide Regierungen die europäische Idee des Schengen-Raums, dem Polen Ende 2007 beitrat, buchstäblich an seine Grenzen gebracht.“
Ohne Checkpoints keine Freiheit
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung applaudiert:
„Man sollte ... nicht so tun, als bräche jetzt Europa zusammen. Das Ziel ist nicht die Reisefreiheit, sondern die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Dass das auch zu Verzögerungen für Touristen und Pendler führen kann, ist klar. Doch zum Einen ist das nichts Neues, sondern etwa im Fall von grenzüberschreitenden sportlichen Großereignissen bekannt. Zum anderen sollten die Staaten ein Interesse daran haben, die Kontrollen so zu gestalten, dass sie wirksam sind. ... Und das Gerede, lückenlose Kontrollen gebe es nicht, darf nicht dazu führen, dass bestimmte Übergänge geradezu offiziell ohne jede Kontrolle bleiben. Wenn alle aufwachen, kann auch der Geist von Schengen wieder ungestört walten.“
Tusks Politik geht auf Kosten Polens
Der polnische Premier trage erheblich dazu bei, sein Land zu schwächen, rügt das Onlineportal wPolityce.pl:
„Deutschland wälzt das Migrationsproblem auf uns ab. Sie brauchten dazu einen so nützlichen Ministerpräsidenten, der kleinlaut Befehle von außen befolgt. Und dies ist nicht der einzige Bereich, in dem Polen geschwächt wird. ... Genau das Gleiche spielt sich in den Bereichen Verteidigung, Wirtschaft, Industrie, Verkehr und internationale Politik ab. Es läuft alles auf ein Ergebnis hinaus: In nur eineinhalb Jahren hat Donald Tusk die polnische Wettbewerbsfähigkeit, seine Unabhängigkeit, zunichte gemacht. So werden Länder erobert, ohne dass ein einziger Schuss fällt. Jetzt ist wirklich der letzte Moment, diesen Wahnsinn zu stoppen.“
Gemeinsam ginge es besser
Statt einseitig zu agieren, sollten Warschau und Berlin kooperieren, findet der Tagesspiegel:
„Polen [wünscht sich] schon länger die Unterstützung von Deutschland beim Ziel, seine östliche Grenze gegen irreguläre Migration zu schützen. Die ist zugleich eine EU-Außengrenze. Russland und Belarus organisieren irreguläre Migration via Polens Ostgrenze, um die EU zu schwächen. Deshalb sollten sich Merz und Tusk sowie ihre Innenminister zusammensetzen. Warum nicht dreierlei: gemeinsame Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze, eine gemeinsame Stärkung von Polens Ostgrenze und gegenseitige Hilfe zur Beschleunigung der Asyl- und Abschiebeverfahren?“