Frankreich: Premier kündigt Misstrauensvotum an

Im Streit um den anstehenden Sparhaushalt will Frankreichs Premierminister François Bayrou die Vertrauensfrage stellen. Das Parlament werde darüber am 8. September abstimmen, sagte Bayrou. Darauf habe er sich mit Präsident Emmanuel Macron verständigt. Ein Scheitern der Abstimmung würde das Ende von Bayrous Minderheitsregierung bedeuten. Alarmstimmung in der Presse.

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Libération (FR) /

Halsbrecherischer Rettungsversuch

Bayrou hat noch zwei Wochen Zeit, das Ruder herumzureißen, analysiert Libération:

„Selbstmörderisch oder mutig – in dieser Ankündigung steckt zweifellos ein bisschen von beidem. Nach einem kurzen Moment der Verwunderung haben alle Oppositionsparteien erklärt, dass sie ihm ihr Vertrauen nicht aussprechen werden. ... Hat François Bayrou also überhaupt noch eine Chance, seinen Posten zu retten? In der Politik ist alles möglich. Er hat noch zwei Wochen Zeit, die dramatische Wirkung von Montag auszunutzen und davon zu überzeugen, dass 'alle an den Anstrengungen beteiligt werden, einschließlich der Privilegiertesten', wie er betonte – wohl wissend, dass dies die große Schwachstelle seines Programms ist. Der Countdown läuft.“

L'Opinion (FR) /

Katastrophales Szenario absehbar

Die Erfolgschancen des Premiers stehen schlecht, urteilt L'Opinion:

„Sein Versuch, einen Schockeffekt zu erzeugen und durch die Vertrauensfrage Zustimmung für die Notwendigkeit des Schuldenabbaus des Landes zu bekommen, scheint bereits gescheitert. Bayrou hat nur schwache Unterstützung von einer erschreckend zurückhaltenden 'gemeinsamen Basis' und wird von der Linken sowie dem Rassemblement National abgelehnt. ... Damit ist Frankreich ein Jahr zurückgeworfen und steht (fast) wieder ohne Premier dar. Und dieses Mal droht zusätzlich die Aktion 'Bloquons tout' ['Blockieren wir alles'], die bereits zwei Tage nach der Vertrauensfrage geplant ist. Große politische Instabilität, soziale Unruhen, Druck der Finanzmärkte – die Lage für das Land ist katastrophal.“

La Repubblica (IT) /

Gegenwind von fast allen Seiten

Beispringen könnten der Regierung allenfalls noch die Sozialisten, schreibt La Repubblica:

„Ein politisches Wagnis, vor allem nachdem schon [sein Vorgänger] Michel Barnier im vergangenen Dezember gerade über die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes gestürzt ist. [Die linkspopulistische] La France Insoumise, die Kommunisten und die Grünen haben sofort angekündigt, dass sie gegen die Regierung stimmen werden. Und diesmal hat auch Marine Le Pen ihre Unterstützung zurückgezogen, die sie in den letzten Monaten zumindest in Form einer Enthaltung zugesichert hatte. Über das Schicksal der Regierung wird die Sozialistische Partei entscheiden, die nun zum Zünglein an der Waage geworden ist.“

Les Echos (FR) /

Bayrous riskante Taktik

Bayrous Ansatz ist sinnvoll, wird aber Frankreichs Wirtschaft erschüttern, urteilt Les Echos:

„Auf dem Papier ist die Rechnung nicht dumm. Es geht darum, die Haushaltsfrage in zwei Teile zu teilen, damit sie im Herbst besser durchkommt. Zunächst versucht der Regierungschef, Zustimmung für seine Diagnose der öffentlichen Finanzen zu erhalten, bevor er in einem zweiten Schritt die Maßnahmen diskutiert (Feiertage streichen, Sozialausgaben einfrieren usw.). … Doch LFI und RN haben bereits jetzt verkündet, dass sie Bayrou 'nicht vertrauen'. … Und ein Sturz des Premierministers am 8. September, gefolgt von Unruhen im Land am 10. September, wäre nicht ohne Folgen. … Unmittelbar nach seiner Rede verzeichnete die Börse einen Rückgang von 1,6 Prozent. … Das alles ist wirklich beunruhigend.“