Wird aus Visegrád ein Anti-Ukraine-Block?

Nach einem Bericht des Nachrichtenportals Politico plant Ungarn, mit Tschechien und der Slowakei ein antiukrainisches Bündnis in der Europäischen Union zu schmieden. Die künftige tschechische Regierung plant ebenfalls eine Wiederbelebung der Kooperation der vier Visegrád-Staaten – wobei Polen bisher kein Interesse an solchen Plänen zeigt. Könnte auf diese Weise in der EU ein prorussischer Lobbyclub entstehen?

Alle Zitate öffnen/schließen
Denník N (SK) /

Die drei Premiers ticken nicht im Takt

Denník N sieht zu große Differenzen in dem angedachten Bündnis:

„Während Orbán permanent erpresst, bellt Fico nur laut und gibt schließlich nach, wenn ihm beim nächsten Mal etwas versprochen wird, wie etwa beim Verbot russischer Öl- und Gasimporte und seiner Blockade antirussischer Sanktionen. Babiš hat noch nicht einmal mit Drohungen begonnen, und Beobachter in Tschechien gehen davon aus, dass sein Antiwest-Gehabe nicht einmal das Ausmaß von Fico, geschweige denn von Orbán erreichen wird. ... Das mögliche Bündnis wird somit ein relativ zersplitterter und wirtschaftlich schwacher Club von Erpressern, Gelegenheitserpressern und populistischen Profiteuren sein, der am Rande der EU agiert und bei anderen immer weniger Gehör finden wird.“

hvg (HU) /

In Prag hat Putin keinen Stein im Brett

Russlands Einfluss stößt vor allem in Tschechien schnell an seine Grenzen, meint die slowakische Publizistin Beata Balogová in hvg:

„Es wird schwierig sein, Visegrád als Vorzimmer Putins zu nutzen. ... Babiš kann die angespannten Beziehungen zwischen Tschechien und Russland, die seit mehreren Jahren durch die russische Beteiligung an der Sprengung des Munitionsdepots in Vrbětice 2014 geprägt sind, nicht völlig ignorieren. Das bedeutet freilich nicht, dass Babiš bereitwillig ein gemeinsames Vorgehen der Union gegen den russischen Aggressor unterstützen wird, da er selbst zuvor Bedenken hatte, dass der Westen zu hart mit Putin umgeht. Aber die Tschechen widersetzen sich dem russischen Einfluss viel eher als beispielsweise die Slowaken.“

Český rozhlas (CZ) /

Ohne Polen auf verlorenem Posten

Český rozhlas gibt dem angeblichen Projekt keine Erfolgschancen:

„Die Vorstellung, dass die Visegrád-Gruppe als eine Art Visegrád-Troika fungieren könnte, ist ziemlich naiv. Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben zusammen eine kleinere Bevölkerung als Polen. Ohne Polens politisches Gewicht wird die Visegrád-Gruppe deutlich weniger Einfluss haben als auf dem Höhepunkt der Migrationskrise nach 2015, als sie einige europäische Initiativen im Bereich Migration blockieren konnte. Die Bemühungen der neuen tschechischen Regierung, sich Ungarn und der Slowakei anzunähern, gerade jetzt, wo Ungarn und die Slowakei in der EU als Unruhestifter und russische fünfte Kolonnen gelten, können Tschechien nur schaden.“