Verbrenner-Aus lockern: Richtig so?
Die EU-Kommission hat am Dienstag neue Pläne zur Regulierung der Autoindustrie vorgestellt. Das sogenannte Verbrenner-Aus soll aufgeweicht werden: Unter bestimmten Umständen könnten auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden. Autobauer müssten garantieren, dass der Kohlendioxidausstoß ihrer Neuwagen im Schnitt 90 Prozent niedriger liegt als im Vergleichsjahr 2021. Geteiltes Echo in den Kommentarspalten.
Ein Rückschritt – und vielleicht nicht der letzte
Respekt sieht schon die nächsten Lockerungsforderungen am Horizont:
„Die größte Gefahr besteht darin, dass die Lobbyarbeit anhalten wird. Bei einer Emissionsreduktion auf null Prozent gibt es wenig Verhandlungsspielraum, aber zehn Prozent für Diesel und Benzin eröffnen eine Reihe von Optionen. Die Argumente liegen auf der Hand: Könnten es nicht 20 Prozent sein? Müssen wir alle Emissionen kompensieren? Ökologische Stahlproduktion ist teuer, die Industrie ist nicht darauf vorbereitet. Gebt uns eine Ausnahme. Kurz gesagt: Im Hinblick auf das europäische Endziel, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, erscheint die gegenwärtige Abschwächung der Anforderungen wie ein Rückschritt. Dieser ist zwar in seiner jetzigen Form noch nicht dramatisch, birgt aber das Potenzial, sich im Laufe der Zeit zu einem gravierenden Problem zu entwickeln.“
Überfällige Kurskorrektur
Endlich kehrt in der Politik Einsicht ein, jubelt Les Echos:
„Auch wenn Europa dogmatisch sein kann, sind die Abgeordneten weder taub noch blind. Sie haben schließlich hingehört und festgestellt, dass die Anhäufung von Regulierungen, die allgemein auf Unternehmen und im Besonderen auf Autobauern, Landwirten, dem Wohn- und Banksektor lasten, Gefahr liefen, unserer Wirtschaft, der Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller sowie der Kaufkraft der Verbraucher zu schaden. … Das grüne Europa mag der vorbildlichste Teil der Welt sein, aber Volksvertreter und Bürokraten beginnen wahrzunehmen, dass wir den Planeten nicht retten können, indem wir unsere Wirtschaft zerstören.“
Unterstützung für Prokrastinierer
Durch diese Kehrtwende belohnt man die Aufschieberitis der europäischen Automobilindustrie, kritisiert Le Soir:
„Ihr Bitten um eine Verschiebung der Umstellung auf E-Fahrzeuge ist ein aussichtsloser Kampf und ein Eingeständnis insbesondere ihres Scheiterns. Wenn sie heute das Gefühl haben, dass man ihnen das E-Messer an die Kehle setzt, dann liegt das ganz einfach daran, dass sie einen historischen Industriewandel verschlafen haben und Opfer ihrer strategischen Blindheit und ihrer Leugnung der ökologischen Realität wurden. Dabei werden sie auch noch von Politikern und Lobbys unterstützt, die sie schützen wollen, aber Komplizen ihres Niedergangs werden.“
China gewinnt sowieso
Der Tagesspiegel schaut nach China:
„Peking zieht beim Ausbau der Elektromobilität durch, was die Kommunistische Partei in den 2000er-Jahren beschlossen hat. Die Chance, die westlichen Autohersteller mit Batterie-Know-how und Rohstoffen sowie subventionierten Auto-Start-ups vom Markt zu fegen, lässt sich der Staat nicht nehmen – und je unsicherer die Etablierten werden, desto selbstbewusster wird China sein. ... China gewinnt gewissermaßen immer. Investieren die deutschen Hersteller wieder mehr in den Verbrenner, bauen die Chinesen ihren Wettbewerbsvorteil in der E-Mobilität aus. Setzen sie stärker auf E-Autos, wächst die Abhängigkeit von Batterie-Rohstoffen und deren Verarbeitung in China.“
Großbritannien könnte nachziehen
The Daily Telegraph hält es für möglich, dass auch London zurückrudert, glaubt The Daily Telegraph:
„Großbritannien hat sich selbst ein Verbot für den Verkauf neuer Benzin- und Dieselautos ab 2030 auferlegt. Boris Johnson, der ehemalige Premier von den Konservativen, hatte die Pläne einst angekündigt. Sein Vorschlag sah vor, dass Großbritannien schneller als die EU, die sich selbst ein Verbot bis 2035 gesetzt hatte, aus der Verbrennertechnologie aussteigen würde. Inzwischen ist Labour die einzige der drei großen Parteien, die an dieser Politik festhält – ein Thema, das bei den rund 40 Millionen Autofahrern im Land bei der nächsten Wahl eine zentrale Rolle spielen könnte. [Oppositionsführerin] Kemi Badenoch sagte bereits, die Tories würden das Verbot aufheben, wenn sie wieder an die Macht kämen.“