Blatter denkt nicht an Rücktritt

Trotz der Ermittlungen wegen Korruption gegen Fifa-Spitzenfunktionäre will sich Präsident Joseph Blatter am heutigen Freitag in Zürich zur Wiederwahl stellen. Für einen Rücktritt Blatters gibt es auch keinen Grund, finden einige Kommentatoren, schließlich hat er sich nichts zuschulden kommen lassen. Andere glauben, dass nur die Sponsoren in der Lage sind, den scheinbar unantastbaren Weltfußballverband zu verändern.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Blatter ist ein ehrenwerter Mann

Gegner und Kritiker von Blatter versuchen seit Jahren, ihn anzuschwärzen, aber die Vorwürfe erweisen sich als haltlos, meint der Chefredakteur der Schweizer Wochenzeitung Die Weltwoche in einem Gastbeitrag für die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung und fordert mehr Anerkennung für den Fifa-Chef: "Im Getöse der Intrigen geht unter, dass Blatters Fifa die wohl mächtigste Entwicklungshilfeagentur der Welt geworden ist, eine NGO der obersten Hubraumklasse. All die Gutmenschen und Empörten, die jetzt gegen den Schweizer auf die Barrikaden steigen, sollten ihm danken. Seit Blatters Amtsübernahme zahlte die Fifa insgesamt über zwei Milliarden Dollar weltweit für sportlich-soziale Entwicklungsmaßnahmen, unter anderem in Afrika. ... Die Europäer möchten den Weltfußball dominieren. Die chauvinistischen Engländer sind enttäuscht, dass sie die Weltmeisterschaft nicht bekommen haben. Der für seine Kritiker störend erfolgreiche Schweizer bewegt sich auf einem Minenfeld unterschiedlichster Machtinteressen. Deshalb wird er zur Zielscheibe krimineller Unterstellungen."

Lidové noviny (CZ) /

Fifa undurchschaubar wie der Vatikan

Große Werbekunden der Fifa haben sich wenig erfreut über die Korruptionsermittlungen gegen den Weltfußballverband geäußert, schreibt die konservative Lidové noviny, die darin ein hoffnungsvolles Zeichen sieht, da die Fifa so unantastbar wie die Katholische Kirche wirkt: "Die Welt der Fifa-Spitze erinnert an den Vatikan. Ihr mediales Bild ist von Abgeschlossenheit und Geheimniskrämerei geprägt. ... Auch in der Welt der Fifa gilt das Dogma der Unfehlbarkeit. ... Auch in der Fifa gibt es keine Opposition, aber am Ende eine demokratische Wahl der Führung. ... In ihrer 111-jährigen Geschichte standen lediglich acht Männer an der Fifa-Spitze. In derselben Zeit lösten zehn Päpste einander ab. Der Weltfußballverband ist damit noch fester zementiert als die Behörde für den Stellvertreter Christi auf Erden. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. ... Aber die großen Sponsoren der Fifa können etwas ausrichten. Visa hat bereits mit seiner Abkehr gedroht."

The Guardian (GB) /

Boykott-Drohungen sind überzogen

Trotz der schweren Vorwürfe gegen die Fifa wäre es zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, einen Boykott der nächsten Weltmeisterschaft oder einen Ausstieg der Uefa aus der Fifa anzukündigen, mahnt die linksliberale Tageszeitung The Guardian: "Der frühere englische Nationalspieler Gary Lineker hat gefragt, ob wir nicht einfach nur 'neu starten' müssen. Andere haben Vertreter der nationalen Verbände zu einem Boykott der Fußball-WM aufgerufen und die Uefa aufgefordert, aus der Fifa auszusteigen. ... Derartige Boykott-Aufrufe sind als Schnellschuss-Reaktion ungeeignet. Warum gleich an die äußerste Grenze gehen? Boykotte von Sportveranstaltungen sollten zu den Protestoptionen gehören, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, damit zu drohen. Ebenso wichtig ist, ob eigentlich irgendjemand die Spieler, Funktionäre und Fußballvereine, die von einem Boykott betroffen wären, nach deren Meinung gefragt hat."

Trouw (NL) /

Neuer Verband als Alternative denkbar

Die Uefa hat bei einer Wiederwahl von Sepp Blatter mit dem Austritt aus der Fifa gedroht. Ein neuer konkurrierender Verband hätte eine Chance, analysiert die christlich-soziale Tageszeitung Trouw: "Die Idee wurde früher als zu europäisch und daher nicht ernstzunehmend vom Tisch gefegt. Die Loyalität der Fußballländer in Lateinamerika und Afrika gegenüber Blatter sei zu groß, so dass diese bei einem konkurrierenden Verband ihre ohnehin enge Bindung zur Fifa und Blatter nur noch verstärken würden. Doch das Eingreifen des FBI und die Reaktion der Uefa lassen eine Alternative zur Fifa inzwischen weniger theoretisch erscheinen. Die Überlebenschancen einer solchen Alternative scheinen klein zu sein, aber immer noch größer als die Chance, dass die Fifa jemals frei von Korruption sein wird. Zu lange gehören Bestechung und Vetternwirtschaft zur Kultur der Fifa."