Warum sind Europas Schüler schlecht in Mathe?

Alle vier Jahre werden weltweit die Mathe-Kenntnisse von Viertklässlern in der Timss-Studie getestet. Staaten aus Fernost liegen dabei seit längerem vorn, bestes europäisches Land wurde jetzt Russland. Schüler aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden schnitten 2015 schlechter ab als 2011. Auf das Lernen von Rechentechniken wird in Europa kein Wert mehr gelegt, empören sich Kommentatoren.

Alle Zitate öffnen/schließen
Welt (DE) /

Bitte mehr Mathe statt nur Sozialkompetenz!

Auch die deutschen Schüler sind laut Timss-Studie im Rechnen schlechter geworden. Sie liegen unter dem OECD- und dem EU-Durchschnitt. Das ist kein Wunder, die Schulen kümmern sich um alles Mögliche, nur nicht ums Rechnen, kritisiert Die Welt:

„Sie integrieren Flüchtlinge, bemühen sich redlich um die Inklusion von Behinderten und widmen sich Themen wie Gewaltvermeidung, Streitschlichtung oder Internetmobbing. In manchen Bundesländern wird die Heterogenität der Klassen noch vergrößert, weil man die Kinder in altersgemischten Gruppen lernen lässt. Die bunte Schulwelt fördert zweifellos manche soziale Kompetenz der Jungen und Mädchen - nur die Bildung scheint zunehmend auf der Strecke zu bleiben. ... Etlichen Bildungspolitikern in Deutschland geht es ... schon lange nicht mehr darum, in den Schulen Hochleistungen hervorzubringen. Sie propagieren lieber gleiche Bildung für alle. Weil aber niemals alle Kinder auf das höchste Niveau kommen können, findet hierzulande schleichend die Nivellierung nach unten statt.“

Karjalainen (FI) /

Eltern taugen nicht als Vorbild

Lernen hat in der Gesellschaft insgesamt an Bedeutung verloren, bedauert Karjalainen:

„Es helfen weder die Bemühungen der Schulen noch eine Top-Lehrerausbildung, wenn sich das gesellschaftliche Klima nicht verändert. Dafür gibt es aber leider keine Anzeichen - eher das Gegenteil ist der Fall. Negative Einstellungen gegenüber der Schule, dem Lernen und Autoritäten verstärken sich. Es ist immer schwieriger, die Bedeutung von Lese- und Rechenfähigkeiten zu erfassen, denn alles kann im Netz erledigt werden. Lesefähigkeiten werden als überflüssig angesehen. Bücher werden nicht gelesen, denn Filme, die sozialen Medien und Reality-TV rauben die Zeit. … Auch Rechenfähigkeiten, ganz zu schweigen von einem tieferen mathematischen Verständnis, gelten als überflüssig, denn der Taschenrechner, das Telefon, ist immer greifbar. Die Schule ist in einer schwierigen Lage. Wie sollen die Kinder vom Nutzen des Lernens überzeugt werden, wenn auch ein Großteil der Eltern dies nicht mehr ist?“

Aftonbladet (SE) /

Eltern sollten Mathe-Nachhilfe bekommen

Der Schlüssel zu besseren Mathe-Ergebnissen der Kinder liegt bei den Eltern, findet Aftonbladet:

„Der Hintergrund der Eltern hat einen Einfluss darauf, welche Hilfe die Kinder zuhause bekommen können. Je sicherer die Eltern sich in den Schulthemen fühlen, desto mehr können sie das Kind unterstützen. Das gilt im hohen Maße für Mathematik. Die Schule kann nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, für Chancenausgleich zu sorgen. Gleichzeitig müssen aber alle Kräfte mobilisiert werden, um bessere Schulergebnisse zu erzielen. ... Warum nicht die Zivilgesellschaft und die Weiterbildungseinrichtungen zu Hilfe rufen? Ein Tipp für den Bildungsminister: Gib den Weiterbildungseinrichtungen einige Millionen, um die Mathe-Kenntnisse der Eltern aufzufrischen, so dass sie das Gefühl bekommen, ihren Kindern helfen zu können. Dann können wir nach der nächsten Timss-Studie vielleicht wirklich von einer Trendwende sprechen.“

Göteborgs-Posten (SE) /

Zu wenig für eine Wissensnation

Die Verbesserungen in der Mathe-Studie reichen bei weitem noch nicht aus, blickt Göteborgs-Posten kritisch in die Zukunft:

„Lehrer und Schüler können natürlich damit zufrieden sein, dass ein seit 20 Jahren andauernder negativer Trend in der Mathematik gebrochen zu sein scheint. Aber für die Politik und die Gesellschaft ist es immer noch ein sehr langer Weg, bis wir endlich eine Schule haben, die einem Land gebührt, das von sich behauptet, eine Wissensnation zu sein. Wenn wir eine mittelmäßige Schulnation sind, können wir auch nie eine erstrangige Industrie- und Wohlfahrtsnation sein.“