Schafft Trump das Geburtsortsprinzip ab?

Wer in den USA geboren wird, erhält automatisch die Staatsbürgerschaft. Präsident Trump hat kurz vor den Zwischenwahlen nun angekündigt, dieses so genannte Geburtsortsprinzip abschaffen zu wollen. Dafür müsste er allerdings mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Kongress die Verfassung ändern, was als unrealistisch gilt. Kommentatoren glauben deshalb nicht, dass Trump sein Vorhaben umsetzen kann.

Alle Zitate öffnen/schließen
Wiener Zeitung (AT) /

Substanzlose Provokation

Dass er das Geburtsortsprinzip der USA nicht einfach abschaffen kann, weiß Trump wohl selbst, vermutet die Wiener Zeitung:

„Diese Ankündigung kommt einer historischen Zäsur, einer Aufkündigung der US-Geschichte gleich, die wesentlich dazu beigetragen hat, die Vereinigten Staaten in ein globales Sehnsuchtsland für Menschen aller Herren Länder zu machen. Trump weiß natürlich um den symbolischen Gehalt seiner Forderung, um die Provokation seiner Kampfansage an einen politischen Eckstein der modernen US-Mythologie. Und mit ziemlicher Sicherheit ist dem Meister des rhetorischen Ressentiments auch bewusst, dass er nicht über die Mittel verfügt, seine Ankündigung auch in die Tat umzusetzen. ... Man sollte daher diese Ankündigung Trumps als das nehmen, was sie realpolitisch tatsächlich ist: heiße Luft eines gewohnheitsmäßigen Provokateurs ohne Substanz.“

The Guardian (GB) /

Hasserfüllte Wahlkampfstrategie

Dem Präsidenten geht es lediglich darum, seine Anhänger für die Kongresswahlen kommende Woche zu mobilisieren, kritisiert The Guardian:

„Er ist fest entschlossen, alles zu tun, um Zuwanderung und damit auch ethnische Abstammung zum zentralen Thema dieses Wahlkampfs zu machen. Alles, was Trump in den kommenden sieben Tagen sagt, wird dieser von Hass geprägten Strategie geschuldet sein. ... Er handelt dabei durchaus konsequent und keineswegs inkonsequent. Er ist bemüht, der Präsident einiger Bürger zu sein, nicht von allen. Doch ein Mann, der die Hälfte seines Landes hasst, hat kein Recht, zu nationaler Einheit aufzurufen, an die er selbst nicht glaubt und die er, ohne zu zögern, verhöhnt und verwirft, wenn es ihm passend erscheint.“

Avvenire (IT) /

Botschaft an weiße Arbeitnehmer

Und auch für Avvenire ist die Ankündigung kurz vor den Midterm-Wahlen alles andere als ein Zufall:

„Die Abstimmung steht kurz bevor und ist eine Art Referendum über Trump. ... Wenn Trump sich nun die Staatsbürgerschaft vorknöpft, schwenkt er nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine wirtschaftliche Flagge. Denn in den vergangenen Jahren haben die USA und insbesondere die weißen Wähler in den Kleinstädten, mit niedrigem und mittlerem Einkommen, das umgekehrte Problem von früher: Heute gibt es zu viele Hände, die anpacken wollen und zu wenige Arbeitsplätze. ... Trumps offene Botschaft ist: Schluss mit der Einwanderung. Dahinter steckt die indirekte aber umso wirkungsvollere Botschaft für weiße Arbeitnehmer: Schluss mit der Konkurrenz durch Einwanderer. Am 6. November werden wir sehen, ob und wie es funktioniert hat.“