Sollen Urvölker isoliert bleiben?

Ein US-Missionar hat den Versuch, das Urvolk der Sentinelesen zu bekehren, mit dem Leben bezahlt. Der 26-jährige John Chau fuhr auf die Sentinel-Insel im Indischen Ozean und wurde von den Einwohnern mit Pfeilen beschossen und tödlich verletzt. Das Betreten der Insel ist aus Gründen des Schutzes der Ureinwohner verboten. Ob dieser Schutz richtig ist, darüber streiten Kommentatoren.

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Jutarnji list (HR) /

Glückliche Jäger und Sammler

Die Sentinelesen haben ein Recht auf Abgeschiedenheit, findet Jutarnji list:

„So leid es mir um den jungen Mann tut, so sehr kann ich auch die Sentinelesen verstehen, die ihr Leben schon seit Zehntausenden von Jahren in Frieden leben, jagend und Beeren sammelnd, so wie die paläolithischen Jäger vor der neolithischen Revolution. Generationen von Schriftstellern und Dichtern haben das imaginäre Arcadia in eben diese Zeit versetzt, als die Menschen ohne jegliche Sorgen und Probleme in unberührter Natur lebten und sich von dem ernährten, was ihnen buchstäblich von den Bäumen vor die Füße fiel. ... Muss man überhaupt fragen, ob die Sentinelesen ihr goldenes Zeitalter leben oder sie eine vierte Industrierevolution brauchen, Digitalisierung, Robotisierung und all das, was krampfhaft zum Teil unserer Realität geworden ist?“

The Guardian (GB) /

Einmischung ist existenzbedrohend

Die Geschichte zeigt, dass isoliert lebende Völker wie die Sentinelesen auf den Andamanen in Ruhe gelassen werden sollten, mahnt The Guardian:

„Die Gesamtbevölkerung der Inselgruppe der Andamanen und Nikobaren hat sich von 30.971 Menschen im Jahr 1951 auf rund 400.000 vervielfacht. Doch die Zahl der Ureinwohner ist stark zurückgegangen, von 4800 im Jahr 1858 auf 674. ... Die Geschichte der Beziehungen zwischen den Urvölkern auf den Andamanen und Fremden hat ein klares Muster: Kolonialisierung, Ausbeutung und letztlich Vernichtung. Wenn wir aus unserer Vergangenheit etwas lernen wollen, dann das: Die Sentilenesen auf der Insel Nordsentinel sollten in Ruhe gelassen werden.“

The Spectator (GB) /

Paternalistische Romantisierung durch Öko-Westler

Isolierte Urvölker von den Segnungen der Moderne auszuschließen, ist inhuman, meint hingegen The Spectator:

„Weil sie das moderne Leben ermüdet oder langweilt, scheinen einige Öko-Westler darauf erpicht, die Lebensweisen versteckter, fast unbekannter Stämme als authentischere Form der Existenz anzupreisen. Es sind ihre Vorurteile gegen die Moderne und die westliche Zivilisation, die ihre sonderbare und paternalistische Begeisterung für das Leben von Urvölkern befeuern. Doch in Wahrheit gibt es nichts zu feiern, wenn die Sentinelesen oder andere Stämme von den Segnungen der Moderne und der menschlichen Familie ausgeschlossen werden. Unsere gemeinsame Menschlichkeit gebietet, dass wir Kontakt mit diesen Menschen aufnehmen und geduldig versuchen, sie davon zu überzeugen, zivilisiert zu werden.“