Nord Stream 2: Die Pipeline, die Europa spaltet?

Als letzter Anrainerstaat hat Dänemark nach langem Zögern grünes Licht für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland gegeben. Damit kann das Projekt - es fehlen noch 147 Kilometer - voraussichtlich bis zum Ende des Jahres fertiggestellt werden. Kommentatoren zeigen sich ernüchtert.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Russland jetzt in die Pflicht nehmen

Nun geht es darum, zu verhindern, dass Europas Sicherheit durch die neue Gasleitung aufs Spiel gesetzt wird, verdeutlicht die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Der dafür entscheidende Schauplatz ist Brüssel: Dort verhandeln Russland, die Ukraine und die EU über den künftigen Gastransit durch die Ukraine. ... [Es ist wichtig], Russland langfristig auf einen Gastransit durch die Ukraine zu verpflichten. Russlands Abhängigkeit von einem ungestörten Transit seines Gases durch die Ukraine nach Westen war bisher eine Absicherung dagegen, dass der Kreml seinen hybriden Krieg gegen die Ukraine wieder eskalieren lässt. Diese Abhängigkeit wird wegen Nord Stream 2 in absehbarer Zeit wegfallen. Dagegen kann auch ein langfristiger Transitvertrag nicht helfen, zumal Moskaus Vertragstreue zweifelhaft ist. Aber er wäre besser als nichts.“

grani.ru (RU) /

Europäische Einigkeit dem Profit geopfert

Das oppositionelle Medium grani.ru bedauert, dass die Europäer nicht standhaft blieben:

„Nord Stream 2 hat die Hilflosigkeit der EU-Institutionen demonstriert. Die EU-Kommission positionierte sich scharf gegen das Projekt. Das Europaparlament hat in seiner Resolution aus dem vergangenen Jahr die Dinge beim Namen genannt. Polen und die baltischen Staaten kämpften gegen die Gasleitung. Die ukrainische Diplomatie versuchte auf allen Ebenen die Partner zu alarmieren. Doch alles wurde durch die Gier der Großkonzerne entschieden und die energiepolitischen Ambitionen Berlins, das hier der größte europäische 'Hub' werden will. Zum Point of no Return wurde der französisch-deutsche Kompromiss zur Gas-Direktive im Februar. Er zeigte, dass den EU-Führungsländern finanzielle Interessen wichtiger sind als die europäische Einheit und Sicherheit.“

wPolityce.pl (PL) /

Das Projekt ist nicht mal wirtschaftlich

Für Wpolityce.pl ist die Entscheidung ein großer Fehler:

„Nord Stream 2 ist in erster Linie ein politisches Unterfangen, das die europäische Energiepolitik stört und nicht wirtschaftlich ist, wie Russland und Deutschland fälschlich behaupten. Dies geht allein aus dem Vergleich der Kosten hervor: Die Kosten werden sich auf ungefähr zehn Milliarden Euro belaufen, die Modernisierung des ukrainischen Übertragungsnetzes wird auf fünf Milliarden Euro geschätzt. Trotz aller Zweifel wird die Investition von Russland und mit der Unterstützung Deutschlands Schritt für Schritt vorangetrieben und Dänemark bricht seinen Widerstand und beseitigt das letzte Hindernis auf dem Weg.“

Jyllands-Posten (DK) /

Dänemark konnte gar nicht anders entscheiden

Dänemark musste der Linienführung zustimmen, erklärt Jyllands-Posten, denn so, wie Russland sie jetzt gelegt hat, gilt internationales Seerecht:

„Das war eine rein administrative Entscheidung, getroffen allein auf Grundlage einer Einschätzung, ob die Linienführung Fischen und Fähren schade. ... Dass die Angelegenheit möglichst unpolitisch bleiben soll, legt die Pressearbeit des Außenministeriums nahe, laut der '[Außenminister] Jeppe Kofod keinen Kommentar zu der Entscheidung hat'. ... Das Risiko, dass Dänemark jetzt unterstellt wird, russischen Interessen zu dienen, besteht natürlich. Was allerdings angesichts des großen politischen Widerwillens gegenüber dem Projekt im Parlament leicht ironisch wäre.“

Ria Nowosti (RU) /

Ukraine-Transit ist nicht mehr der Schlüsselfaktor

Ria Novosti fragt sich, warum Dänemark die Genehmigung gerade jetzt erteilt hat:

„Offenbar betrachtete man den fehlenden Baufortschritt in Europa als Druckmittel gegen Gazprom, um bei der neuen Transitvereinbarung mit der Ukraine für diese maximal günstige Bedingungen zu erzielen - wobei diese Vereinbarung so oder so in gewisser Form nötig wird, fraglich sind nur noch die Transitmengen. ... Aber warum kam jetzt die Zustimmung? Schwer zu sagen. Möglicherweise hat man verstanden, dass die eigene Energiesicherheit doch wichtiger ist. Vielleicht hat auch das Verhältnis der gegenwärtigen US-Führung zur Ukraine und zu Europa eine Rolle gespielt, wodurch es zu Veränderungen in den traditionellen Beziehungsdreiecken USA-EU-Ukraine und USA-EU-Russland kam.“