Sorge um das Verhältnis zwischen EU und USA

Die USA wollen ein Viertel ihrer in Deutschland stationierten Truppen abziehen. Die Videokonferenz der EU-Außenminister mit ihrem US-Amtskollegen Pompeo am Montag endete ohne Ergebnis. Zuletzt gab es außerdem Streit wegen des in Washington für Juni geplanten G7-Gipfels, den Merkel mit Verweis auf die Corona-Pandemie absagte. Droht eine dauerhafte Eiszeit in den transatlantischen Beziehungen?

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Dziennik Gazeta Prawna (PL) /

Deutschland ist für Trump identisch mit Chaos

Besorgt über das deutsch-US-amerikanische Verhältnis äußert sich Dziennik Gazeta Prawna:

„In den vergangenen Wochen haben die Spannungen zwischen Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal zugenommen, was zu den wahrscheinlich schlechtesten Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat. ... Trumps Bild von Deutschland gleicht dem, das die extreme Rechte in den USA hat. Für diese Leute bleibt Europa eine Bombe mit einer Zündschnur, die irgendwo zwischen der Oder und dem Rhein liegt. Wenn die USA nicht aufpassen, wird in ihren Augen das Chaos zurückkehren und damit die schlafenden Dämonen der deutschen und europäischen Geschichte.“

La Repubblica (IT) /

Die Welt braucht transatlantischen Zusammenhalt

Europa und die USA müssen wieder zueinander finden, mahnt der EU-Parlamentarier und Journalist Bernard Guetta in La Repubblica:

„Es ist notwendig, weil unsere Bindungen zu alt und zu tief sind und zu unabdingbar, als dass wir sie noch weiter entgleiten lassen könnten. … Es ist notwendig, weil auf der ganzen Welt so viel Glut unter der Asche schwelt, dass wir gemeinsam handeln müssen, bevor sich das Feuer überall ausbreitet. Es ist notwendig, weil Rechtsstaatlichkeit, Aufklärung und internationale Konsultationen von immer mehr Staaten und politischen Strömungen offen angefochten werden. Es ist notwendig, weil die EU noch weit davon entfernt ist, auf den Schutz der USA verzichten zu können. Es ist, mit einem Wort, notwendig für die Stabilität des Planeten, die Verteidigung der Demokratie und unsere Sicherheit als Europäer.“

Financial Times (GB) /

Auch Biden würde Entfremdung nicht verhindern

Selbst wenn der Kandidat der Demokraten die Präsidentschaftswahl gewinnt, würden sich USA und EU weiter voneinander entfernen, meint Financial Times:

„Ein von Joe Biden geführtes Weißes Haus würde zweifellos beim Klimawandel mit Europa zusammenarbeiten und im Handelsstreit auf Deeskalation setzen. Es würde nicht versuchen, die EU zu untergraben, weil diese eine Fehlkonstruktion sei, die dem Konzept des Nationalstaats entgegenstehe. Abgesehen von einem willkommenen politischen Tauwetter in diesen Bereichen, würden sich die beiden Seiten jedoch nicht viel näher kommen. Die Beziehung entwickelt sich zurück zu der Form, die sie im späten 19. Jahrhundert hatte, als die USA und Europa nichts weiter verband, als der Strom von Menschen und Gütern. So tröstlich es auch sein mag, Donald Trump für das Auseinanderdriften verantwortlich zu machen, er gibt einem bestehenden Prozess nur einen böswilligen Anstoß.“

Magyar Nemzet (HU) /

Verteidigung selbst organisieren

An der Schwelle zu einer neuen, multipolaren Weltordnung muss Europa lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, fordert Magyar Nemzet:

„Europa darf sich nicht komplett auf den militärischen Schutz der USA verlassen. Man sollte Trumps frühere Aussage, dass die Nato veraltet sei, ernst nehmen. Mit diesen Worten hat der US-Präsident die Botschaft gesendet, dass Europa den eigenen Schutz selbst organisieren oder für die Dienstleistung des amerikanischen Militärs bezahlen soll. Trumps Vorschlag ist berechtigt und wirkt offensichtlich inspirierend auf unseren Kontinent: Europa versucht, auf dem Gebiet der Verteidigung die europäische Zusammenarbeit zu stärken, ohne die USA.“