USA verhängen Sanktionen gegen Türkei

Die US-Regierung hat Sanktionen gegen die Türkei beschlossen. Sie untersagte ab sofort Kooperationen im Militärbereich und reagierte damit auf Ankaras Kauf russischer S-400-Flugabwehrsysteme. Die EU hatte auf ihrem jüngsten Gipfel von schärferen Sanktionen wegen der türkischen Politik im Mittelmeervorerst abgesehen. Wie geht es nun weiter?

Alle Zitate öffnen/schließen
Wedomosti (RU) /

Ankara braucht jetzt neue Rüstungspartner

Der Militärexperte Ruslan Puchow beleuchtet in Wedomosti die Folgen für die künftige Ausrichtung des Nato-Mitglieds Türkei:

„Die US-Maßnahmen zwingen die türkische Rüstungsindustrie, ihren weiteren Entwicklungsweg zu wählen: Bis jetzt war ihr Vektor die Integration in das westliche Rüstungs-'Ökosystem'. Symbol dafür war ihre umfangreiche Beteiligung am Programm für den Bau des US-Kampfflugzeugs der 5. Generation, die F-35 - die für die Türken wegen des S-400-Ankaufs jetzt blockiert ist. Nun hat die Türkei einen Total-Kollaps ihrer bisherigen Ausrichtung der Rüstungsindustrie vor Augen. Die Alternative ist offensichtlich: Umorientierung auf Kooperationen mit nichtwestlichen Partnern. ... Die russische Rüstungsbranche hat der Türkei so manches anzubieten.“

Habertürk (TR) /

Teure Abschreckung

Als Nato-Mitglied hatte die Türkei nie ernsthaft vor, das 2,5 Milliarden-Dollar teure Raketenabwehrsystem tatsächlich zu aktivieren, meint Habertürk:

„Vor allem 2014-2015, als manche Bündnisländer die Türkei allein ließen, war S-400 bezüglich des IS und ausländischen Terroristen wertvoll als Knebel, als Abschreckung, als Argument, um eine Änderung der Haltung [der Partner] zu erzwingen. Mehr nicht. ... Doch indem man das Thema zur nationalen Frage machte, ist die Nation nun mit den teuersten vollendeten Tatsachen der türkischen Geschichte konfrontiert. ... Eine der traurigen Konsequenzen, wenn man seine außenpolitischen Irrgänge und Probleme als eine Frage von Sein oder Nichtsein darstellt und sie benutzt, um in der Innenpolitik Zusammenhalt zu erzeugen.“

Milliyet (TR) /

Biden kann nur abwarten

Der Kongress hat Biden vor vollendete Tatsachen gestellt, meint Milliyet:

„Mit der Sanktionsentscheidung letzte Woche hat der Kongress Biden keine Möglichkeit gelassen, das S-400-Problem in die eigenen Hände zu nehmen. … Die Biden-Regierung wird daher beim Thema S-400 abwarten und beobachten. Vor allem wird sie sich die Lösungsvorschläge anhören, die Ankara unterbreiten wird. Doch wenn die Türkei das Flugabwehrsystem aktivieren sollte, wird sie signalisieren, dass sie hinter den Sanktionen steht. Das Wichtige ist hierbei, welche Schritte die Türkei unternehmen wird. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass beide Seiten Anstrengungen unternehmen werden, um einen positiven Dialog zwischen der Biden-Regierung und Präsident Tayyip Erdoğan wiederherzustellen.“

To Vima (GR) /

Endlich macht jemand den ersten Schritt

To Vima kann Washingtons Vorgehen nur Positives abgewinnen:

„Insbesondere das Verbot von Waffenexporten in die Türkei alarmierte Ankara sehr, wie die wütende Reaktion von Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zeigte. ... Der Zeitpunkt der Sanktionen ist von besonderer Bedeutung, da er unmittelbar nach der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs auf dem jüngsten EU-Gipfel folgt, die Einführung restriktiver Maßnahmen gegen Ankara auf März zu verschieben. ... In diesem Zusammenhang ist klar, dass die Initiative Erdoğans, mit EU-Ratspräsident Charles Michel Kontakt aufzunehmen, kaum ein Zufall war. Ankara ist eindeutig davon überzeugt, dass die Entscheidung der USA dem bisher zögernden Europa den Schritt erleichtern könnte, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.“

News.bg (BG) /

Transatlantischer Gegenwind für Erdoğan

Für news.bg tragen die Sanktionen bereits die Handschrift Joe Bidens, mit dem es Erdoğan schwerer haben wird als mit Trump:

„Der persönliche Kontakt zwischen Erdoğan und Trump wird durch eine Kommunikation auf institutioneller Ebene ersetzt werden. Das dürfte die Möglichkeiten einschränken, Gesten wie in den vergangenen vier Jahren zu machen, als der mittlerweile zurückgetretene Generalstaatsanwalt William Barr Druck auf die US-geführte Untersuchung gegen die türkische staatliche Halkbank ausübte, die der Umgehung der Sanktionen gegen den Iran verdächtigt wurde. ... Die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA in den vergangenen Jahren waren von Spannungen gekennzeichnet. Der Personalwechsel im Weißen Haus verspricht allerdings noch mehr davon.“

Daily Sabah (TR) /

Washington ist auf Ankara angewiesen

Mit den Sanktionen gefährden die USA fahrlässig eine wichtige Partnerschaft, staunt die regierungsnahe Tageszeitung Daily Sabah:

„Die Türkei macht schon heute fast ihren gesamten Außenhandel mit Russland, China und Deutschland. ... Mit ihren jüngsten Sanktionen haben die USA die Dinge für den türkischen Staat, ihren einzigen säkularen Verbündeten im Nahen Osten, der als zweitgrößter Nato-Partner deren östliche Grenze schützt, einfacher gemacht. Die neue US-Administration sollte verstehen, dass das alte Paradigma sich nun verändert hat. Wenn sie engen Kontakt mit Ankara halten will, sollte sie die Sanktionen aufschieben und nach Unterstützung streben, um die Türkei nicht an Eurasien zu verlieren.“