Fulminanter Oppositionssieg im Kosovo

Albin Kurti von der links-nationalistischen Vetëvendosje ("Selbstbestimmung") hat die vorgezogenen Parlamentswahlen im Kosovo mit 48 Prozent der Stimmen gewonnen. Die langjährige Regierungspartei PDK, die aus der Bürgerkriegsmiliz UÇK hervorgegangen war, kam auf 17 Prozent. Kommentatoren bezweifeln, dass Kurti sein Wahlversprechen, die grassierende Korruption zu beenden, auch umsetzen kann.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Persönliche Integrität reicht nicht

Mit einer Protestwahl hat sich die Mehrheit der Kosovaren von der alten Garde verabschiedet, schreibt der Tages-Anzeiger:

„Diese hat den Staat zum Selbstbedienungsladen gemacht, ein Klima völliger Straflosigkeit geschaffen und mit ihrer Arroganz der Macht den Kontakt zum Volk verloren. Wird Kurti diese politische Unkultur beenden? Er ist persönlich integer – und das ist eine gute Voraussetzung. ... Doch das allein wird kaum reichen für eine Trendwende. Was der mutmasslich künftige Premierminister braucht, sind erfahrene Manager, die effizient regieren können. Bislang hat sich Kurti vor allem mit militanten Jasagern umgeben ... . Mit seinem Versprechen, er werde die Korruption und die Kriminalität gnadenlos bekämpfen, hat der 45-Jährige grosse Erwartungen geweckt.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Mit den Auslandskosovaren kann Kurti es schaffen

Für die Neue Zürcher Zeitung ist die Wahl eine historische Zäsur – doch auf Kurti warte eine schwierige Aufgabe:

„[Kurti] versprach Arbeit und Gerechtigkeit und wurde dafür von den Bürgern gewählt. Doch wo soll er Arbeitsplätze schaffen, wenn nicht in der öffentlichen Verwaltung wie die korrupten Vorgänger? Und wie zum Recht verhelfen mit schlechtbezahlten Richtern, die dem Druck der Mächtigen ausgeliefert sind? ... Kurti hat einen starken Verbündeten: die Auslandkosovaren. ... [Viele von ihnen] interessieren sich weiter für die alte Heimat. Mit ihrer wirtschaftlichen Kompetenz und ihren politischen Erfahrungen haben sie Kosovo viel zu bieten. Bloss fehlte bisher ein Ansprechpartner in Pristina ... . Mit Kurti, so glauben sie, wird das jetzt anders.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Mit Turbulenzen ist zu rechnen

Durch das Wahlergebnis wird das Kosovo wieder zu einem europäischen Thema, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Es ging den Euro­pä­ern in den vergan­ge­nen Jahren vor allem darum, mit dem Kosovo keine zusätz­li­che Arbeit zu haben. Der künf­ti­ge Minis­ter­prä­si­dent Albin Kurti wird diese Ruhe stören. Lässt er seinen Ankün­di­gun­gen eines radi­ka­len Kampfs gegen die Korrup­ti­on Taten folgen, dann sind poli­ti­sche Turbu­len­zen wahr­schein­lich. Denn die Erfah­rung aus ande­ren Ländern lehrt, dass die Nutz­nie­ßer korrup­ter Netze es nicht wider­stands­los hinneh­men, wenn ihre Geschäf­te gefähr­det werden. Und Kurti hat in seiner bishe­ri­gen poli­ti­schen Lauf­bahn gezeigt, dass er keinem Konflikt aus dem Weg geht.“