Österreich: Bringen Ermittlungen Kurz zu Fall?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den österreichischen Regierungschef Sebastian Kurz. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verdächtigt den Kanzler der Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Ibiza-Affäre, die 2019 zum Sturz der Regierung von konservativer ÖVP und rechter FPÖ geführt hatte.

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Wiener Zeitung (AT) /

Den Entfesselungskünstler nicht unterschätzen

Dieser Skandal bedeutet nicht zwingend das Ende für Sebastian Kurz, findet die Wiener Zeitung:

„Wer ins Stolpern gerät, muss nicht zwingend stürzen. Kurz hat sich in der Vergangenheit wiederholt als Entfesselungskünstler aus hoher Not entpuppt. Das ist auch dieses Mal nicht ausgeschlossen. Neu ist allerdings, dass seine Erzählung von Erneuerung und neuem Stil nicht mehr in alter Breite verfängt. Und bisher ungeahnt ist auch die Entschlossenheit, mit der die politischen Gegner den einstigen Höhenflieger zum Absturz bringen wollen.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Ein Politikstil mit Verfallsdatum

Kanzler Kurz ist mit seiner Politik der Inszenierung gescheitert, meint die Neue Zürcher Zeitung:

„Früher ist Österreich in Teilorganisationen strukturiert gewesen, etwa in Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften oder Landesorganisationen. Diese alten, formalen Netzwerke hat Kurz durch ein Geflecht ausgetauscht, das auf persönlichen Beziehungen beruht. Er hat Mitstreiter um sich geschart, die er teilweise seit Jahren kennt ... Einige dieser Getreuen haben jüngst einen eher zwielichtigen Eindruck gemacht. ... Die neueste Untersuchung wird Kurz bei seiner Arbeit lähmen. Mit seiner bisherigen Politik der Inszenierung wird er definitiv nicht mehr weiterkommen.“

Azonnali (HU) /

So geht Rechtsstaat

Mit etwas Neid schaut Azonnali auf die starke Position der österreichischen Justiz:

„In Österreich gibt es eine juristische Kontrolle [der Politik]. ... Die Staatsanwaltschaft und das Verfassungsgericht können ihre Arbeit verrichten, und die öffentlichen-rechtlichen Medien dürfen kritisch berichten. ... In Ungarn gibt es so etwas nicht. Eine juristische Kontrolle der Macht besteht, wenn überhaupt, nur auf dem Papier, das man vorzeigen kann, wenn im Ausland 'die Ungarn' kritisiert werden.“