Darf Djoković nun doch in Australien aufschlagen?

Ein Gericht in Melbourne hat dem Einspruch des Tennis-Weltranglistenersten Novak Djoković gegen seine verweigerte Einreise stattgegeben. Djoković wollte mit einer Ausnahmegenehmigung zu den Australian Open anreisen, doch da er nicht geimpft ist, setzte ihn der Grenzschutz fest. Australiens Regierung will prüfen, ob sie Djoković das Visum dennoch verweigert. Auch Europas Presse treibt die Sache weiter um.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Für viele wird er zur Hassfigur

Sollte Djokovic antreten, wird er die Wut der Bürger in Melbourne zu spüren bekommen, prophezeit der Tages-Anzeiger:

„Der Weltranglistenerste ist zum Symbol der Egozentrik, der Uneinsichtigkeit, der Ungleichheit und zu einem weltweiten Anführer der Impfgegner geworden. Dass er mit fragwürdigen Belegen und der Spitzfindigkeit teurer Juristen eine Impfbefreiung durchstieren kann, während Hunderttausende von Australiern wegen des Virus monatelang praktisch eingesperrt waren, wird die schon letzte Woche riesige Wut gegen ihn neu aufflammen lassen. Sollte er tatsächlich als Spieler in die Rod Laver Arena schreiten, ist ein Aufruhr garantiert.“

Corriere del Ticino (CH) /

Größenwahn statt echter Größe

Das Image des Tennisstars ist für immer ruiniert, urteilt Corriere del Ticino scharf:

„In seinem Größenwahn - der allein seinem Talent im geschickten Umgang mit dem Tennisschläger geschuldet ist - gibt es keinen Platz für Reflexion oder gar Umdenken. … Sollte ihm die Teilnahme erlaubt werden, könnte Djokovic in knapp drei Wochen die Siegertrophäe lächelnd gen Himmel recken. Doch zu welchem Preis? Sein ohnehin schon nicht gerade makelloses Image könnte noch weiter beschädigt werden. Ja, vielleicht kann sich Nole seinen Traum erfüllen, Roger Federer und Rafael Nadal in der Rangliste der gewonnenen Grand Slams zu überholen. Der Tennis wird ihn einmal als den Stärksten aller Zeiten in Erinnerung behalten. Aber er wird nie der Größte sein.“

The Guardian (GB) /

Menschenrechte achten

Im Fall Djokovic geht es auch um den hoch aktuellen Umgang mit Menschen an Grenzen, findet The Guardian:

„Der Richter ging nicht der Frage nach, ob Impfungen eine gute Idee sind, sondern was der Tennisspieler hätte tun sollen, das er unterlassen hat. Darauf gab es keine Antwort, weshalb den Richter die 'offensichtlich ungerechte' Behandlung 'aufregte'. ... Immer mehr Länder auf allen Kontinenten sehen ihre Grenzen als geschwächt und durchbrochen an. Wie sie darauf reagieren, wird dramatische Auswirkungen auf internationale Beziehungen und Menschenrechte haben. Für jeden Djokovic am Flughafen-Gate kommen Hunderttausende, deren Fälle ungehört bleiben.“

Kurier (AT) /

Die Affäre passt in diese Zeit

Für den Kurier zeigt sich an Djokovic, wie erbittert weltweit über Impfungen gestritten wird:

„Das Interesse an diesem Fall reicht weit über die Tennisszene hinaus, weil er bezeichnend ist für vieles, was in der Corona-Krise falsch läuft. ... Sobald heute die Wörter Impfung oder Restriktion fallen, ziehen sich die Opponenten in ihre Schützengräben zurück und feuern ihre verbalen Waffen ab. Aus jedem (noch so kleinen) Vorfall kann ein Konflikt entstehen. Das Virus ist nur der Anlass dafür, der Brandbeschleuniger. Das tiefe Misstrauen gegenüber dem Anderen, dem Anders-Denkenden, dem Anders-Aussehenden war davor schon da.“

La Vanguardia (ES) /

Verschwörungstheorien statt Argumente

La Vanguardia erkennt in dem Fall viel übersteigerten Nationalismus:

„Die Reaktion vieler Serben, die ihren Landsmann unterstützen, weil sie finden, dass er durch das Einreiseverbot nach Australien gedemütigt wird [ist ein weiterer interessanter Aspekt]. Es ist klar, dass auch sie sich gekränkt fühlen. Verschwörungstheorien gemischt mit übersteigertem Nationalismus ergeben einen sehr schwer verdaulichen Cocktail. ... Beiden liegt der Wunsch zugrunde, sich abzugrenzen und vermeintliche Feinde zu identifizieren. Die Serben, die in diesen Tagen protestieren, messen sich zu viel Bedeutung bei, ebenso wie der Tennisspieler selbst.“

Phileleftheros (CY) /

Die Vernunft ist verschwunden

Wirklich beunruhigend ist die Tatsache, dass gesunden Menschen jegliche Aktivität untersagt wird, schreibt Phileleftheros verärgert:

„Ein völlig gesunder Sportler wird seines Rechts beraubt, an Wettkämpfen teilzunehmen und seinen Titel zu verteidigen, wie Stefanos Tsitsipas [griechischer Tennis-Star] gezwungen wurde, sich impfen zu lassen, damit er Tennis spielen kann. Die Absurdität erstreckt sich aber nicht nur auf den Zwang, sondern auch auf den Typ des Impfstoffs. Wie im Falle der Russin Natalia Vikhlyantseva, die ausgeschlossen wurde, weil sie mit Sputnik geimpft wurde! Die Vernunft ist in den letzten zwei Jahren überall auf der Welt verschwunden.“

Aargauer Zeitung (CH) /

Bauernopfer im Wahlkampf

Diese Behandlung hat Djokovic nicht verdient, meint die Aargauer Zeitung:

„Er hat das Flugzeug im Glauben bestiegen, die Voraussetzungen für eine Einreise zu erfüllen. Das mag naiv und vielleicht sogar abgehoben gewesen sein, aber es war bestimmt nicht seine Absicht, damit diplomatische Verwerfungen auszulösen. Djokovic will Tennis spielen und Rekorde brechen. ... Wut und Empörung der Bevölkerung auf die Befreiung Novak Djokovics von der Impfpflicht hat die Politik überrascht. Und der sehr umstrittene Premierminister Scott Morrison hat darin eine Chance erkannt, sich zu profilieren ... Ob das politische Kalkül in Hinsicht auf die Parlamentswahlen im Mai aufgeht, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Morrison hat Djokovic damit zum Bauernopfer gemacht.“

Corriere del Ticino (CH) /

Le roi c'est moi

Keine der beteiligten Parteien stehe besonders vorteilhaft da, findet Corriere del Ticino:

„Angefangen bei der Hauptfigur, dem derzeitigen Tennis-Weltkönig, der nicht zum ersten Mal ein Fehlverhalten in Bezug auf die Pandemie an den Tag legt. … Nach dem Prinzip 'Le roi, c'est moi'. … Daneben sein Vater, der die Menschen dazu auffordert, die Straßen von Melbourne zu stürmen, um seinen inhaftierten Sohn zu befreien, das Tennis-Team, die serbischen Behörden: alle unfähig, die aktuelle Welt durch die Linse des gesunden Menschenverstands zu betrachten. Sie sind geblendet von der Berühmtheit der Figur und getrieben von der widerlichen Gewissheit, dass der VIP-Status Privilegien gewährt, zu denen Normalsterbliche keinen Zugang haben.“

Club Z (BG) /

Für Balkan-Stars gelten keine Regeln

Djokovic ist nun mal vom Balkan und für ihn gelten keine Regeln, scherzt Club Z:

„Wissen die nicht, dass du vom Balkan kommst - dem Mittelpunkt der Erde, dem Ort, an dem der Urknall stattfand? Was denken die sich überhaupt zu verlangen, dass du ihre Gesetze befolgst und dich impfen lässt! Auf dem Balkan schert sich niemand um das Gesetz und der Impfstoff ist eine zweifelhafte Flüssigkeit. Punkt! Der ganze Balkan schaut jetzt auf dich, Nole! Du bist unsere letzte Hoffnung! Nur du mit deinem Schläger kannst den dummen Wessis - gut, Australien ist im Osten, aber egal - eine reinhauen, damit sie endlich mit dieser Impf-Sklaverei aufhören.“