Nazi-Vergleiche: Was bedeutet Moskaus Rhetorik?

Russlands Außenminister Lawrow hat am Sonntagabend im italienischen Fernsehsender Rete4 die russische Kriegsbegründung der Entnazifizierung der Ukraine wiederholt. In Bezug auf den Präsidenten der Ukraine Selenskyj sprach er vergleichend von der angeblichen jüdischen Abstammung von Hitler. Israel reagierte empört. Kommentatoren warnen vor gefährlichen Tendenzen, die nun auch einzelne EU-Länder betreffen.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Der Wahn befreit nicht von Schuld

Die Behauptung, die Ukraine werde von Nazis regiert, hat Lawrow nun noch weiter ins Absurde getrieben, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Seine Abstammungsspekulationen über Hitler und seine Folgerungen, Juden seien selbst die größten Antisemiten, haben immerhin weiter offengelegt, wo die eigentlichen verbrecherischen Rassisten sitzen. Unbekannt ist das Muster nicht: Andere, denen man sich überlegen fühlt, wollen anders leben als man selbst. Sie leben womöglich besser. Aus Neid wird Hass, dann Vernichtungswille. Und der wird im schlimmsten Fall in die Tat umgesetzt. Lawrow hat den Geist des Blut-und-Boden-Regimes im Kreml ein weiteres Mal herausgestellt. Der Wahn liegt offen zutage. Er macht aber nicht schuldunfähig.“

NRC (NL) /

Rasender Kreml will Vernichtung

Russland-Kenner Hubert Smeets warnt in seiner Kolumne in NRC Handelsblad davor, Moskaus wahre Absichten zu unterschätzen:

„Die wichtigsten Adjutanten von Präsident Putin schlagen immer brutaler um sich. In dieser Raserei wetteifern Vernichtungsrhetorik und (verkappter) Antisemitismus um den Vorrang. ... Jetzt nach zehn Wochen ist klipp und klar, dass der Kreml auf die Vernichtung der ukrainischen politischen und kulturellen Souveränität zusteuert und am Ende auch auf die Liquidierung der europäischen Rechtsordnung. ... Wenn man weiterhin unfähig ist zu erkennen, dass das Kreml-Regime ideologisch gesteuert ist, wird das auch für uns eine Gefahr.“

Aftonbladet (SE) /

Gefährliche Propaganda-Artillerie

Nach der Ankündigung Schwedens, der Nato beizutreten, bezichtigen Plakate in Moskau das Land, im Gegensatz zu Russland mit dem Nazismus zu sympathisieren. Aftonbladet warnt:

„Man wird den Propagandakrieg gegen Schweden intensivieren und uns als unzuverlässige Kantonisten darstellen - als mindestens so gefährlich, wie es die Ukraine ist. Es wird Kampagnen in sozialen Medien geben, vielleicht auch Drohungen oder Gewalt gegen einzelne Individuen oder IT-Attacken. ... Die Stromversorgung ist ein weiterer wunder Punkt. ... Diese Kampagne richtet sich nicht an Schweden, sondern an die eigene Bevölkerung. Schritt für Schritt sollen die Russen lernen, dass wir ihre Feinde sind. Ziel ist es, Verständnis für Krieg gegen Schweden zu schaffen, mit oder ohne konventionelle Waffen.“