Tritt die Türkei der Shanghaier Organisation bei?

Die Türkei soll Präsident Erdoğan zufolge der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) beitreten, zu der unter anderem China, Russland und Indien gehören. Nach dem SOZ-Gipfel im usbekischen Samarkand erklärte Erdoğan, man wolle im kommenden Jahr eine Mitgliedschaft erörtern. Damit wäre die Türkei der erste Nato-Staat in dem großen asiatischen Bündnis.

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T24 (TR) /

In alle Richtungen offen bleiben

Eine vielseitige Außenpolitik ist grundsätzlich gut, findet Diplomat Hasan Göğüş auf T24:

„Zumindest solange die Türkei sich nicht von der westlichen Achse abwendet, der sie sich seit dem Tanzimat [Wandel des Osmanischen Reichs im 19. Jahrhundert] zugewandt hat, von den Bündnissen, auf denen ihre Sicherheit basiert, sowie von den zeitgenössischen demokratischen Werten und Menschenrechten. ... Vielseitigkeit gehört zur Praxis der türkischen Außenpolitik. Die Nato-Mitgliedschaft seit 1952 war nie ein Hindernis für die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu Russland. So wie die Türkei Gründungsmitglied des Europarates ist, wurde sie auch Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Keine echte Alternative zur Nato

Ein Taktieren, um innen- und außenpolitisch das Beste rauszuholen, erkennt Der Tagesspiegel:

„Dass die Türkei auf das Beistandsversprechen der westlichen Allianz [Nato] verzichtet und sich ganz Russland anvertraut, ist sehr unwahrscheinlich. Vielmehr will Erdogan mit seinem Liebäugeln mit der SCO seinen Wählern imponieren, seine Beziehungen mit Putin festigen und sein Drohpotenzial gegenüber dem Westen vergrößern: Schaut her, wir können auch anders. Neue Reibereien zwischen Ankara und den USA und Europa sind absehbar - aber eine realistische Alternative zum Westen ist die SCO für die Türkei auf absehbare Zeit nicht.“

In (GR) /

Der Maulwurf in der Allianz

In.gr erkennt ein Doppelspiel Erdoğans:

„Es ist bezeichnend, dass er sagte, er möchte - da man ihn nicht in der EU haben wolle - lieber mit jenen Ländern in Verbindung stehen, mit denen man 'historische und kulturelle' Gemeinsamkeiten habe. Auf diese Weise trägt er dazu bei, ein Anti-Nato-Bündnis zu schaffen, während er gleichzeitig die Nato selbst von innen heraus untergräbt, indem er sich weiterhin an ihr beteiligt - wohl wissend, dass ihn aufgrund der geostrategischen Lage seines Landes niemand rauswerfen wird.“

Sözcü (TR) /

Heute hü, morgen hott

Erdoğan verspricht doch seit Jahren, der EU beizutreten, spottet die regierungskritische Sözcü:

„Unser Jahrhundert-Anführer sagte 2020: 'Egal, was irgendjemand sagt, unser Ziel ist die EU'. ... Unsere geschätzten Medien machten Schlagzeilen wie 'Der Eroberer Europas', schrieben von der 'europäischen Türkei'. 2022 wandte unser Jahrhundert-Anführer und Europa-Eroberer das Ruder wieder gen Asien. 'Unser Ziel ist es, Mitglied der Shanghai Five zu werden', sagte er, die 'angestammte Heimat' sei Asien. Die werten Medien titelten mit dem 'Eroberer von Shanghai', schrieben vom 'Anführer, der das Gleichgewicht der Welt verändert'. ... Sollte aus der Shanghai Five nichts werden, treten wir sicher den Bukarest Neun oder sonst eben den drei Musketieren bei.“