Inflation: EZB reagiert erneut mit Zinserhöhung

Trotz eines Rückgangs der Teuerung hat die EZB den Leitzins zum fünften Mal innerhalb von acht Monaten angehoben: Er liegt nun bei 3 Prozent - um 0,5 Prozentpunkte höher als bisher. Die Inflation in Europa sei nach wie vor viel zu hoch, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag. Ist das das richtige Mittel?

Alle Zitate öffnen/schließen
taz, die tageszeitung (DE) /

Derzeit völlig verfehlt

Steigende Zinsen sind nicht ohne Risiko, warnt die taz:

„Steigen die Zinsen, werden weniger Kredite vergeben. Viele Fabriken können nicht mehr investieren, und auch Neubauten werden rar, weil Hypotheken teuer sind. Die Nachfrage sinkt, was dann die Preise drücken soll. Es wird also eine künstliche Rezession erzeugt, die meist zur Folge hat, dass auch die Arbeitslosigkeit steigt. Es sollte sich daher niemand freuen, dass die Zinsen zulegen – auch die Sparer nicht. Denn die Zentralbanken können nur agieren, indem sie eine Wirtschaftskrise riskieren. Das ist nie günstig, aber jetzt völlig verfehlt. Der Krieg in der Ukraine ist schon für ganz Europa hart genug.“

La Repubblica (IT) /

Nicht das richtige Rezept

Ein falscher Schritt, urteilt La Repubblica:

„Vor allem weil Lagarde den Gedanken vieler Wirtschaftswissenschaftler, darunter der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, nicht berücksichtigt, dass die aktuelle Inflation nicht mit der Geldpolitik bekämpft werden kann. ... Sie wurde durch steigende Energiepreise, den Krieg und Engpässe in den Versorgungsketten verursacht, die mit der Pandemie begannen. Ereignisse, auf die die Geldpolitik der EZB wenig Einfluss nehmen kann. Jetzt lösen sich die Engpässe auf und die Energiepreise sinken aufgrund geringerer Nachfrage und hoher Lagerbestände. ... Um die Inflation weiter einzudämmen, brauchen wir keine Zinserhöhungen, die die Unternehmen benachteiligen und die Wirtschaft in eine Rezession stürzen könnten. Wir brauchen gezielte Interventionen.“

The Irish Times (IE) /

Künftig bitte lieber abwarten

Nicht sicher, ob diese Leitzinserhöhung vielleicht zu voreilig war, ist The Irish Times:

„Zentralbanken, unter ihnen auch die EZB, sollten vorsichtig sein und sich bei ihren Entscheidungen von den aktuellsten Daten leiten lassen. In den letzten Monaten gab es sicherlich gute Gründe für die Erhöhung von Zinssätzen, weil die Inflationsrate in die Höhe schnellte. Jetzt verlangsamt sich aber das Wachstum und der Inflationsdruck lässt nach. Wie es weiter geht, ist ungewiss. Da scheint es sinnvoll, abzuwarten und zu schauen, was die Zahlen sagen, um zu entscheiden, ob weitere Zinserhöhungen gerechtfertigt sind. ... Weitere Zinserhöhungen sollten künftig nachweislich notwendig sein. “

De Standaard (BE) /

Aufatmen, aber nicht feiern

De Standaard ist erleichtert, warnt aber auch:

„[Einer noch hartnäckigeren Inflation] scheinen wir, möglicherweise auch durch das strenge Eingreifen der Zentralbanken, entkommen zu sein. Aber um die Champagnerkorken knallen zu lassen, ist es noch zu früh. Noch gibt es unbeantwortete Fragen. Die erste und wichtigste ist der weitere Verlauf der russischen Aggression in der Ukraine. ... Wir wissen auch nicht sicher, ob das Inflationsgespenst wirklich verjagt ist. Bei vielen Verbrauchern und Unternehmern überwiegt noch das Gefühl, dass Preise, Löhne und Zinsen außer Kontrolle geraten. Sie passen ihr Verhalten diesem Eindruck an. ... Aber es ist gut, dass 2023 nach dem instabilen 2022 mehr Grund für Optimismus bietet.“