Wo stehen wir nach einem Jahr Krieg?

Ein Jahr lebt Europa schon mit dem Krieg in der Ukraine. Auch wenn sich ein echtes Fazit noch verbietet - gewisse politische Entwicklungen und Zwischenbilanzen lassen sich konstatieren, meinen Kommentatoren.

Alle Zitate öffnen/schließen
Dnevnik (BG) /

Russland lässt Faschismus wieder aufleben

Am 24. Februar 2022 ist der besiegt geglaubte Faschismus nach Europa zurückgekehrt, schreibt Dnevnik:

„Der russische Staat ist vollständig vom Faschismus durchdrungen. Nicht nur die Ideologie von Putins Russland, sondern auch die Entwicklung der Ereignisse selbst ist ein großes Déjà-vu vom Beginn des Zweiten Weltkriegs. Damals wie heute hat die Weltelite diese Entwicklung verschlafen, doch gab es viele Anzeichen dafür: die Kriege in Tschetschenien und Georgien, die 'grünen Männchen' in Donezk und Luhansk, die Annexion der Krim, die Morde an Anna Politkowskaja und Boris Nemzow. Es ist unsere Schuld, dass wir nicht lesen und verstehen konnten, mit wem wir es zu tun hatten.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Mehr Hoffnung als vor einem Jahr

Eesti Päevaleht bedankt sich bei der Ukraine fürs Durchhalten - und auch bei allen ihren Unterstützern:

„Nein, wir glauben nicht, dass die Verbündeten eigene Truppen in die Ukraine schicken sollten, um den Krieg schneller zu beenden. ... Wohl aber lohnt es sich zu erinnern, wie viele westliche Ressourcen im Irak-Krieg und anderen Kriegen der neueren Geschichte eingesetzt wurden ... Es ist nicht klar, wann der Krieg endet, aber man kann schon heute optimistischer in die Zukunft blicken als am 24. Februar 2022. Die Ukraine hat durchgehalten und wir haben durchgehalten, während wir der Ukraine helfen. Auch wächst die Unterstützung der Verbündeten. Danke an alle, die zur Unterstützung der Ukraine beigetragen haben.“

Sme (SK) /

Selenskyjs Mut gab der Welt eine Chance

Solange noch unklar ist, wie die russische Invasion in der Ukraine enden wird, ist es für Bilanzen zu früh, findet Sme - und formuliert ein Zwischenergebnis:

„Heute können wir nur erklären, dass Putins Krieg die Welt tiefer und weitreichender getroffen hat als der Angriff auf die Zwillingstürme von New York, die Finanz- und Energiekrise, Brexit, Covid und der Aufstieg Chinas zusammen. Alles wäre sicherlich noch schlimmer gekommen, wenn nicht Selenskyj vor einem Jahr den Satz gesagt hätte, er brauche 'Munition, keine Mitfahrgelegenheit'. Der Moment, in dem er sich weigerte, die ukrainische Hauptstadt zu verlassen, der Experten drei Tage in einem Blitzkrieg gaben, ist die Mutter und der Vater des tapferen und effektiven Widerstands der Ukraine.“

Mandiner (HU) /

Putins imperiale Träume sind geplatzt

Russland kann sich von seinen Großreich-Träumen verabschieden, urteilt Mandiner:

„Was seine historischen Ziele angeht, hat Russland diesen Krieg in dem Moment verloren, als es ihn begann. Denn was schmerzte Putin und die russische Führung? Der Zerfall der Sowjetunion und vor allem des großen ostslawischen Reiches. ... Doch was hat die Putin-Administration mit dem Angriff auf die Ukraine und mit der Vernichtung von Ukrainern und ihren Lebensgrundlagen erreicht? Nur, dass man die Ukraine mit Bomben zu einem feindlichen Land gemacht hat, das Russland mit Recht den Rücken kehrt. ... Der Traum von einem künftigen Moskau-zentrierten slawischen Reich hat sich in historischem Ausmaß in Luft aufgelöst.“