Was bedeutet Melonis Besuch in Polen?

Italiens Premierministerin Meloni und Polens Premier Morawiecki haben auf dem Kongress der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in Warschau Einigkeit demonstriert. Beobachter sehen einen Zusammenhang mit dem Versuch, für die Wahl zum EU-Parlament 2024 ein Bündnis mit der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) zu schließen. Ob Meloni und Morawiecki aber tatsächlich so viel vereint, bezweifeln viele Kommentatoren.

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La Repubblica (IT) /

Die Schimäre eines Bündnisses

Viele Gemeinsamkeiten gibt es nicht zwischen Meloni und der polnischen Regierung, stellt La Repubblica fest:

„Der Plan der Premierministerin ist es, ein Bündnis zwischen der EVP und den Konservativen der EKR zu schließen mit einem gemeinsamen Programm. Warschau will aber nichts davon wissen. … Doch ohne die Polen fällt das Gerüst des Bündnisses mit der EVP in sich zusammen. In den Reihen der EVP agiert zudem [Polens Oppositionsführer] Tusk. Er ist ein Freund von [EVP-Fraktionschef] Manfred Weber, der seinerseits ein Freund von Meloni ist und mit ihr an dem Bündnis arbeitet. ... Nur Pech, dass Morawiecki nicht gerade ein Bewunderer des deutschen Fraktionsvorsitzenden ist. Polen habe zwei Probleme, sagte er kürzlich, im Osten die Wagner-Gruppe, im Westen die Weber-Gruppe.“

Rzeczpospolita (PL) /

Kaum Konkretes in der Zusammenarbeit

Das Treffen ist eher symbolischer Natur, meint Rzeczpospolita:

„Unter dem Deckmantel des gegenseitigen Lobes lassen sich kaum Bereiche finden, in denen die beiden Premiers tatsächlich übereinstimmen. ... Derweil hat Meloni am vergangenen Donnerstag und Freitag auf dem EU-Gipfel in Brüssel Morawiecki und den ungarischen Premier Viktor Orbán vor den Kopf gestoßen, indem sie sich nicht der Blockade der Ergebnisse des Gipfeltreffens anschloss. ... Der Besuch Melonis in Polen unmittelbar nach dem EU-Gipfel soll die Erinnerung an diesen unangenehmen Streit tilgen.“

Newsweek Polska (PL) /

Vorsicht vor rechter Sperrminorität

Newsweek Polska sieht eine realistische Gefahr, dass ein neues Rechtsbündnis die EU lähmt:

„Falls sich Spanien der konservativen Achse anschließt, könnte die Gruppe mit der taktischen Unterstützung eines weiteren Landes die Fähigkeit erlangen, die EU-Gesetzgebung zu blockieren - von Migration über Finanzfragen bis hin zum Klima. Die Sperrminorität in der EU besteht aus mindestens vier Mitgliedern des Rats der EU, die mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Die Bevölkerungen Spaniens, Polens, Italiens und Ungarns machen etwa 34 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU aus und liegen damit sehr nahe an der Blockadeschwelle.“