Tourismusboom: Regulieren oder einfach freuen?

Nach Jahren der Reisebeschränkungen, Abstandsregeln und Sorgen vor Ansteckung sind die Touristenzahlen in diesem Sommer vielerorts wieder auf Vor-Corona-Niveau oder sogar darüber. Das hat für beliebte Urlaubsregionen und die Umwelt nicht nur Vorteile. Kommentatoren debattieren, ob und wie faires und weniger belastendes Reisen möglich sein könnte.

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Új Szó (SK) /

Die leeren Städte waren doch traurig

Man sollte sich freuen, dass das Leben nach der Covid-Pandemie wieder normal geworden ist, meint der Journalist Laci Szabó in Új Szó:

„Ich habe oft an die Zeit des Ausbruchs der Pandemie zurückgedacht, als die Presse voll damit war, dass nichts mehr so sein würde wie früher ... Es war eine harte Zeit. Es war traurig, leere Hotels und leere Flugzeuge zu sehen und Städte, in denen Abstand gehalten werden musste. ... Nun sind wir meistens mit einer Vollbelegung konfrontiert, aber das macht uns nichts: Das Wichtigste ist, dass wir unsere Reisefreiheit zurückgewonnen haben.“

Lapin Kansa (FI) /

Eine gute Nachricht für Finnlands hohen Norden

Der Tourismus ist eine wichtige Einkommensquelle für Lappland, betont Lapin Kansa:

„Immer mehr Menschen aus der ganzen Welt wollen im Winter in Lappland Urlaub machen, und in einer sich erwärmenden Welt ist das nicht wirklich überraschend. Der Haken dabei ist natürlich, dass der Tourismus selbst Teil des Problems ist, da insbesondere die Emissionen des Luftverkehrs zum Klimawandel beitragen. Für die regionale Wirtschaft Lapplands ist die noch schnellere Entwicklung des Tourismus jedoch eine gute Nachricht. Der Tourismus bringt Arbeitsplätze, Einkommen und Steuereinnahmen in eine Region, deren Bevölkerung abnimmt und altert. Daran sollte man auch denken, wenn das Alltagsleben der Einheimischen durch den Ansturm der Touristen 'gestört' wird.“

Politiken (DK) /

Der Kreuzfahrt einen Riegel vorschieben

Amsterdam will Kreuzfahrttourismus aus der Innenstadt verdammen und Politiken fordert das auch für Kopenhagen:

„Der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass die Zahl der Kreuzfahrtschiffe in Kopenhagen zurückgegangen ist. ... Es sollte der Beginn einer Ab- statt einer Zunahme des Kreuzfahrttourismus sein. ... Der Stadtrat sollte Klimavorgaben für Kreuzfahrtschiffe festlegen und die Reedereien wissen lassen, dass ein Verbot wie in Amsterdam folgen könnte. Natürlich sollte Kopenhagen für Touristen nicht verschlossen sein, sondern diejenigen anlocken, die die Stadt tatsächlich in mehr als ein paar Stunden erleben möchten: diejenigen, die hier essen, im Hafen baden, mit dem Wind im Haar Rad fahren möchten und Zeit haben, die Stadt zu erleben.“

Le Monde (FR) /

Interessengesteuerte Kritik

Die Angriffe auf den Massentourismus sind unangemessen, rügt Geograf Rémy Knafou in Le Monde:

„Dafür, dass der Tourist bestimmte Reiseziele auswählt, gibt es gute Gründe: So ist die französische Küste die von 62 Prozent der europäischen Kunden bevorzugte Destination, da die Küsten und Strände Orte der Geselligkeit sind, die sich für alle Kundentypen eignen: Familien und Alleinreisende, junge und weniger junge Gäste. ... Die Anprangerung des Massentourismus dient den Interessen derer, die uns alternative, oft teure Reisen fern der 'ausgetretenen Pfade' verkaufen wollen, die im Fall von Fernreisen aufgrund von starken Treibhausgasemissionen einen hohen Preis für den Planeten haben.“

La Croix (FR) /

Weniger Begüterte nicht um ihre Reiseträume bringen

Eine internationale und faire Regulierung des Tourismus muss her, fordert La Croix:

„Die Weltorganisation für Tourismus schätzt die Anzahl von Touristen in zehn Jahren auf zwei Milliarden [jährlich]. Und 95 Prozent davon bereisen weniger als 5 Prozent der globalen Landfläche. … Daher ist es also unmöglich, den Markt sich selbst zu überlassen! Heckt jedes Reiseziel in seiner Ecke seine eigenen Beschränkungen aus, könnte dies zu einem heillosen Durcheinander führen. ... Vor allem geht man so das Risiko ein, Luxustourismus Vorrang einzuräumen, der die Beschränkungen finanziell schultern kann. Daher müssen die Staaten sich dringend auf eine gerechte und ausgewogene Regulierung von Touristenströmen einigen. Damit nicht ein Teil der Weltbevölkerung um Orte gebracht wird, von denen er träumt.“