Palästina als Staat anerkennen: Was hilft es?

Vor dem Hintergrund der Situation in Gaza sprechen sich immer mehr Länder für eine Anerkennung Palästinas aus. Nach Frankreich und Großbritannien hat nun auch Kanada als dritter G7-Staat in Aussicht gestellt, diesen Schritt vorzunehmen. Die Presse erörtert neben der Wirkung dieser Initiative die nötigen Voraussetzungen für eine echte Staatlichkeit Palästinas.

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Der Standard (AT) /

Zeit für neue Gesichter in Ramallah

Die Autonomiebehörde unter Abbas muss sich zu Reformen und neuen politischen Angeboten durchringen, fordert Der Standard:

„Auch für die Palästinenserführung in Ramallah ist der Zeitpunkt der Entscheidung gekommen. Kanada hat seine Anerkennung an die Reform der Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas geknüpft, der auch endlich – nach 20 Jahren – wieder wählen lassen soll. Das klingt einleuchtend. Woher jedoch ein glaubwürdiges und gemäßigtes politisches Angebot an die Wählerschaft kommen soll, die sich längst von Abbas und der PLO abgewandt hat, weiß niemand. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass die Staatskanzleien, die einen neuen israelisch-palästinensischen Friedensprozess fordern, naiv sind. Das sind sie wohl nicht.“

Zeit Online (DE) /

Fragwürdiges Verhältnis zu Gewalt und Terror

Die Anerkennung eines palästinensischen Staates hält Zeit Online derzeit für keine gute Idee:

„Letztlich geht es darum, ob man der palästinensischen Nationalbewegung in ihrem augenblicklichen Zustand einen Staat anvertrauen kann, und die Antwort darauf lautet: Nein. Das Verhältnis zu Gewalt und Terror, der Einfluss des radikalen Islamismus, die Haltung zur Existenz Israels als jüdischer Staat – zu all diesen Punkten stellen sich, zurückhaltend gesagt, ernste Fragen an die palästinensische Gesellschaft und ihre führenden Repräsentanten. Die Zustimmung, ja der Jubel, auf den die Bluttaten der Hamas vielfach gestoßen sind, ist unvergessen.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Nur ein Phantom

Die Zweistaatenlösung ist obsolet, meint der Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung, Eric Gujer:

„Den Staat Palästina wird es nicht geben, auch wenn Paris und London das Phantom anerkennen. Der Paria-Status der Palästinenser ist zementiert. ... Die Hamas bot Israel mit dem Pogrom den Anlass, seine Macht in der Region erheblich auszudehnen. Sie lieferte ihr Volk dem jüdischen Gegner auf Gedeih und Verderb aus und verursachte die grösste Katastrophe in der palästinensischen Geschichte, grösser als die ebenfalls weitgehend selbstverschuldete 'Nakba', die Flucht und Vertreibung im Krieg von 1948. ... Das Beste wären Wahlen [in Israel] und ein Kabinett ohne die extremistischen Parteien. Ein politischer Neuanfang böte die Chance, nach einem Notausgang aus dieser Feindschaft ohne Ausweg zu suchen.“

De Telegraaf (NL) /

Zuerst muss die Hamas kapitulieren

De Telegraaf hält wenig von den Anerkennungsvorstößen zum jetzigen Zeitpunkt:

„Das rituelle Massaker und die Massenentführungen vom 7. Oktober waren in den Augen der Hamas der Startschuss für die Vernichtung des jüdischen Staates. Diese Bedrohung muss zunächst beseitigt werden, bevor man über Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung reden kann. Die Befürworter einer Strafexpedition gegen Israel müssen sich bewusst sein: Der einzige Weg zu einem möglichen Frieden ist nicht die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates, sondern die Kapitulation der Hamas.“

Helsingin Sanomat (FI) /

Höchste Zeit, Stellung zu beziehen

Finnland soll die Anerkennung ebenfalls vornehmen, fordert Helsingin Sanomat:

„Am Mittwoch wurde bekannt, dass Finnland eine Petition von 15 Außenministern unterzeichnet hat, in der dazu aufgerufen wird, Palästina als Staat anzuerkennen oder die Anerkennung zumindest in Erwägung zu ziehen. ... Die Regierung hat zuvor erklärt, dass Finnland bereit sei, Palästina unter geeigneten Umständen anzuerkennen. Dies wurde damit begründet, dass die Anerkennung nicht nur eine symbolische Geste sein, sondern den Friedensprozess unterstützen soll. Das eingeschränkte Versprechen Großbritanniens ist genau eine solche Maßnahme, die auf Frieden drängt. Finnland muss an der Seite Frankreichs und Großbritanniens stehen. Es ist an der Zeit, dass die Regierung Stellung bezieht.“