Deutschland: Was bedeutet der Wahlerfolg der AfD?

Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen konnte die CDU mit 33,3 Prozent ihre Spitzenposition halten. SPD und Grüne fuhren im bevölkerungsreichsten Bundesland mit 22,1 und 13,5 Prozent Verluste ein, während die AfD mit 14,5 Prozent ihren Stimmenanteil fast verdreifachte. Kommentatoren bewerten den ersten Stimmungstest nach der Bundestagswahl vom Februar.

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La Repubblica (IT) /

Für den Kanzler schlecht gelaufen

Die AfD fasst immer stärker Fuß, beobachtet La Repubblica:

„Der wahre Sieger dieser Kommunalwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland, im Motor des Made in Germany, ist die AfD. Der erste Wahltest der Merz-Regierung ist schlecht gelaufen für den Kanzler, der versprochen hatte, die extreme Rechte zu 'halbieren'. Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD, jubelt: 'Wir sind eine Volkspartei'. Eine Partei, die in allen Schichten der Bevölkerung verwurzelt ist. ... Bereits bei den Bundestagswahlen hatte sich gezeigt, dass die extreme Rechte zur stärksten Partei unter den deutschen Arbeitnehmern geworden war. Sie hatte den Sozialdemokraten das Zepter der 'Arbeiterpartei' entrissen. Jetzt bestätigt sich der Wechsel von der SPD zur AfD auch in der am stärksten industrialisierten Region Deutschlands.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Nun ist Standfestigkeit gefragt

Die Süddeutsche Zeitung analysiert:

„Die AfD erreichte im Landesdurchschnitt 14,5 Prozent und war damit fast dreimal stärker als 2020. Allerdings ist das schwächer als das NRW-Resultat der Partei bei der Bundestagswahl vor einem halben Jahr. Und schon dieses Ergebnis lag unter dem westdeutschen Schnitt der AfD. Nordrhein-Westfalen ist also weiterhin keine Hochburg der Rechtspopulisten, selbst für westdeutsche Verhältnisse nicht. Trotzdem reicht der Wahlerfolg sicher aus, um in vielen Gemeinderäten die Mehrheitsbildung zu erschweren. In manchen Kommunen wird die Brandmauer getestet werden und die AfD sich der CDU bei einzelnen Sachentscheidungen als Mehrheitsbeschafferin im Rat andienen. Hier ist Standfestigkeit gefragt.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Mehr Mut zur Auseinandersetzung

Die NZZ wünscht sich, dass Lehren aus dem Wahlergebnis gezogen werden:

„Es muss wieder darum gehen, ob ein Argument richtig oder falsch ist, nicht darum, wer es vorbringt. ... Der Mut zur Auseinandersetzung ist einer Mischung aus Argumentationsfaulheit und -feigheit gewichen. Wer sich trotzdem in eine direkte Konfrontation mit AfD-Vertretern begibt, wie der thüringische Ministerpräsident Mario Voigt oder jüngst der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, erfährt aus dem eigenen politischen Lager nicht etwa Anerkennung oder Solidarität. Voigt und Palmer wurden vielmehr dafür kritisiert, dass sie den 'Rechten' eine Bühne böten. Dabei störten sie nur die Seelenruhe der Bequemen.“