Niederlande-Wahl: Mit Jetten zurück in die Mitte?

Bei der niederländischen Parlamentswahl haben die linksliberale D66 von Rob Jetten und die PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders nach Auszählung fast aller Wahlzettel nahezu gleich viele Stimmen erhalten. Der 38-jährige Jetten, dessen Partei die Zahl der Sitze von 9 auf 26 steigern konnte, gilt als Gewinner und künftiger Regierungschef. Europas Presse zieht Lehren für den Umgang mit Rechtspopulisten.

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NRC (NL) /

Politische Lähmung durchbrechen

NRC analysiert:

„Nach einem gescheiterten Experiment mit der rechtsradikalen PVV in der Regierung geben die Wähler der politischen Mitte doch wieder eine Chance. ... Mit zwei [Koalitions-]Varianten auf dem Tisch und möglichen Meinungsverschiedenheiten darüber zwischen den Parteien kann die Regierungsbildung doch wieder komplizierter werden als zuvor erhofft. ... Es wird die erste große Aufgabe für D66-Chef Jetten sein, zu zeigen, dass er aus einer erneuerten und gestärkten Mitte heraus die politische Lähmung durchbrechen kann.“

De Morgen (BE) /

Optimistisch und ambitioniert

De Morgen erklärt Jettens Erfolgsstrategie:

„Der Spitzenkandidat der sozialliberalen Partei D66 erwies sich während des Wahlkampfs als guter Redner. Mit einer großen Portion Optimismus setzte er sich gegen das pessimistische Weltbild des radikal-rechten PVV-Führers Geert Wilders durch. Jetten bekundete entschlossen seine Ambition, Wilders zu schlagen. So posierte er bei Wahlkampfreden deutlich vor einer großen niederländischen Flagge, die er 'zurückerobern' wolle. Neben Ton und Stil steuerte Jetten auch den inhaltlichen Kurs seiner Partei erfolgreich. ... Er positionierte sich strategisch in der Mitte und richtete sich damit auch an Wähler der Mitte-Rechts-Parteien.“

SRF (CH) /

Wähler erwarten konkrete Lösungen

SRF-EU-Korrespondent Charles Liebherr analysiert:

„Das politische Chaos der letzten zwei Jahre hinterlässt Spuren: Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler erwartet nun endlich konkrete Lösungsvorschläge, wie gegen die anhaltende Wohnungsnot vorgegangen wird, wie die Arbeitsmigration ... gedrosselt werden kann, wie die Landwirtschaft ökologischer ausgerichtet werden kann. Genug haben die Wählenden von Lösungsvorschlägen, die gegen den Rechtsstaat verstossen und von Lösungsvorschlägen, die nicht umsetzbar sind. Darum stellen die Wählenden den Rechtspopulisten Wilders ins politische Offside. Zumindest vorübergehend.“

Handelsblatt (DE) /

Durchmarsch der Rechten kein Naturgesetz

Das Handelsblatt begrüßt das Ergebnis:

„Die Wahl zeigt, dass der scheinbar unaufhaltsame Erfolg der rechtspopulistischen Parteien in Europa kein Naturgesetz ist. Im Gegenteil ... . [E]s ist maßgeblich der Erfolg von Jetten und – zu einem kleineren Teil – auch der des Christdemokraten Henri Bontenbal, dass Wilders so stark verlor. Sie zeigen, dass eine Kombination aus klarer, anti-populistischer Rhetorik und einer restriktiveren Migrationspolitik gegen Rechtspopulisten Erfolge bringen kann.“

Polityka (PL) /

Wilders bleibt eine feste Größe

Polityka zieht eine zwiespältige Lehre:

„Einerseits zeigen die Niederlande, dass sich populistische Rechtsparteien [in der Regierung] verbrauchen und die Wähler enttäuschen können. Andererseits hat Wilders trotz allem [mindestens] den zweiten Platz belegt. Es lohnt sich also, auf die Schlussfolgerung zurückzukommen, die der niederländische Politologe Cas Mudde gezogen hat: Wirtschaftliche Inkompetenz und Misserfolge bei der Umsetzung des Programms müssen nicht unbedingt dazu führen, dass die Wähler einer Partei an der Wahlurne die rote Karte zeigen. In Zeiten einer rein performativen Politik, die sich auf Narrative beschränkt und keine Visionen bietet, die über einzelne Amtszeiten hinausgehen, fängt bei jeder Wahl alles wieder von vorne an.“