Wie ist Trumps UN-Rede einzuschätzen?
US-Präsident Donald Trump hat in einer Rede vor der UN-Generalversammlung die Vereinten Nationen heftig attackiert. Die Organisation habe zwar ein enormes Potenzial, schöpfe es aber nicht aus, erklärte er. Er selbst habe sieben Kriege beendet und keine Unterstützung von den UN bekommen. Zudem kritisierte er unter anderem die Klima- und Migrationspolitik Europas. Kommentatoren debattieren, was davon zu halten ist.
Generalabrechnung mit der Weltordnung
Libération sieht in Trumps Angriff auf die Weltordnung den Kern seiner geopolitischen Strategie:
„Bei der Generaldebatte der Uno am 23. September hat er das Publikum gewohnt hasserfüllt zurechtgewiesen und ohne Skrupel all jene Errungenschaften zerlegt, die die Weltordnung geprägt und bislang als Fortschritt der Menschheit gegolten haben: das Asylrecht, den Kampf gegen den Klimawandel, den Multilateralismus. ... Wenn man Donald Trump heißt, traut man sich eben alles. ... Falls noch jemand daran gezweifelt haben sollte, macht er nun eindeutig klar, dass seine Attacken gegen Migration und Klimapolitik nicht an Amerikas Grenzen haltmachen, sondern im Zentrum seiner geopolitischen Strategie stehen.“
Uno stärken statt schwächen
Nach Meinung der Salzburger Nachrichten verstrickt sich der US-Präsident in Widersprüche:
„Einen Friedensnobelpreis ohne Zusammenarbeit mit anderen Ländern? Den wird es nicht geben. Geld sparen, indem man Entwicklungshilfe kürzt? Das birgt die Gefahr neuer Konflikte, die die USA am Ende teuer zu stehen kommen könnten. Einen 'ultimativen' Plan für Nahost vorlegen, aber der palästinensischen Delegation die Einreise verweigern? Damit macht man keinen Schritt in Richtung Frieden. Ginge es Trump wirklich um eine friedlichere Welt – und nicht nur um das Prestige eines Nobelpreises –, dann müsste er die UNO nicht schwächen, sondern ihre Rolle als Hüterin des Völkerrechts stärken.“
Paradoxe Angriffe
Die Kritik kommt von der falschen Seite, argumentiert der Diplomat Pasquale Ferrara in Avvenire:
„Das größte Risiko für die Vereinten Nationen besteht darin, dass sie zunehmend an Bedeutung verlieren. In keinem der beiden großen Konflikte (in der Ukraine und im Gazastreifen) konnten die Vereinten Nationen eine wirklich bedeutende Rolle spielen. Andererseits kann, um eine Metapher aus der Unternehmenswelt zu verwenden, kein Unternehmen mit einem gespaltenen und in Bezug auf die Unternehmensziele tief zerstrittenen Verwaltungsrat funktionieren. Es ist daher paradox, dass – wie Trump in seiner gestrigen Rede vor den Vereinten Nationen – gerade diejenigen, die die Grundlagen der internationalen Zusammenarbeit mit einseitigen Initiativen wie beispielsweise Zöllen untergraben, die Uno der Ineffizienz bezichtigen.“
Peinliche PR-Aktion
Trumps Rede war total realitätsfern, meint De Morgen:
„Eine peinliche PR-Aktion für sein idiotisches Streben, den Friedensnobelpreis zu bekommen. ... Trumps endlose Rede war völlig losgelöst von der Realität. Man konnte in ihr die symbolische Bestätigung einer sich verändernden, zersplitterten Welt sehen. Eine Welt, aus der sich die USA hinter eine Mauer aus Ressentiments und Handelszöllen zurückziehen. Sicher ist: Für die Europäer, die Europa als eine Ansammlung von Wohlfahrtsstaaten und Rechtsstaaten schätzen, ist ein Bündnis mit diesem Amerika, Trumps Amerika, nicht aufrechtzuerhalten. “
Erneuter Wink mit dem Zaunpfahl
Trumps Rede kann auch als Kritik an Ungarn und der Slowakei verstanden werden, betont 24.hu:
„Der US-Präsident hat in seiner Rede jene europäischen Länder kritisiert, die noch immer russisches Erdöl und Erdgas kaufen. ... Er unterließ es zwar, unser Land und die Slowakei namentlich zu nennen, indes kaufen diese beiden europäischen Länder weiterhin Erdöl und Erdgas aus Russland. Trump fügte hinzu, dass der Kauf russischer Energie sofort eingestellt werden müsse. ... Auch der US-Energieminister [Chris Wright] forderte Ungarn in Brüssel kürzlich auf, fossiler Energieträger aus Russland zu entsagen.“