Neue Chance für ein geeintes Zypern?
Im Norden Zyperns kommt es zu einem Machtwechsel: Der bisherige Oppositionspolitiker der sozialdemokratischen CTP, Tufan Erhürman, hat die Präsidentschaftswahl gewonnen. Er setzte sich klar gegen den bisherigen Präsidenten der nicht-anerkannten Republik, Ersin Tatar, durch, der dem türkischen Präsidenten Erdoğan nahesteht. Erhürman will die Zypern-Verhandlungen wieder aufnehmen und steht für eine Annäherung an die EU.
Der Volkswille ist eindeutig
Nordzyperns Regierung muss Lehren aus dem Wahlergebnis ziehen, kommentiert die in Zyperns Norden erscheinende Kıbrıs Postası:
„Diese Wahl wird aufgrund ihrer Eigenschaft, die gesamte politische Balance zu verändern, diskutiert werden. Vor allem die Regierung steht vor einer schwierigen Zeit. Die Regierungsparteien müssen dies als Misserfolg betrachten und eine gründliche Analyse vornehmen. Es muss genau untersucht werden, wie die Wahlbeteiligung weiter gesteigert und das Vertrauen und Interesse der Bevölkerung in die Politik erhöht werden kann. ... Der Wille der Bevölkerung, der Wähler, liegt auf der Hand, und natürlich muss man ihn respektieren, die Botschaft richtig verstehen und diese Erkenntnisse bei der nächsten Wahl einfließen lassen, um Fehler zu korrigieren.“
Ein wenig Normalität wäre ein Anfang
Die taz hofft auf Tauwetter in dem seit 50 Jahren eingefrorenen Konflikt:
„Dass in der südöstlichsten Ecke Europas demnächst der Frieden ausbricht, ist ... nicht zu erwarten. Zu tief sitzen die gegenseitigen Ängste und Ressentiments. Und zu gewichtig sind die Worte nationaler Gralshüter auf beiden Seiten der zypriotischen Demarkationslinie und in den Mutterländern. Aber ein wenig Normalität auf der Insel wäre schon mal ein guter Anfang – mit Handel ohne Schranken, Fußballspielen in einer gemeinsamen Liga, Leben, wo es gefällt. Selbstverständlichkeiten, so sollte man meinen. Aber nicht am Rande Europas. Noch nicht.“
Nur eine Figur auf Erdoğans Schachbrett
Phileleftheros glaubt nicht an die Unabhängigkeit der Politik im Norden Zyperns:
„Der jeweilige zyperntürkische Führer ist nichts weiter als eine Schachfigur auf Erdoğans Brett, und je nach seinen eigenen Interessen und Absichten erlaubt er ihm, die entsprechenden Schritte zu unternehmen. ... Es wäre daher falsch zu glauben, dass ein Führungswechsel in der zyperntürkischen Gemeinschaft wesentliche Veränderungen in den Bemühungen um eine Lösung der Zypernfrage mit sich bringt, wenn etwas Entsprechendes nicht auf Erdoğans Agenda steht.“
Einklang mit der Türkei ist existenziell
Eine Abkehr von Ankara wäre gefährlich, warnt Akşam:
„Natürlich ist es unser größter Wunsch, dass auch in Zukunft eine Regierung in Zypern an der Macht bleibt, die die türkischen Interessen und die türkische Präsenz auf Zypern schützt. ... Nur eine mit der Türkei harmonierende Regierung kann die Zukunft Zyperns und die Sicherheit und den Wohlstand der türkischen Zyprer gewährleisten. Alle anderen Wünsche und Forderungen gefährden die Sicherheit sowohl der zyprischen Türken als auch der Türkei und der gesamten Region.“
Hoffnung nach acht Jahren Stillstand
Naftemporiki schreibt über den Sieger:
„Erhürman, Akademiker und ehemaliger 'Premier' des Pseudostaats, hatte von Anfang an auf eine Rhetorik der Mäßigung, des Dialogs und der Distanzierung von Ankara gesetzt. Im Wahlkampf betonte er die Notwendigkeit von 'Respekt und Gleichheit' in den Beziehungen zur Türkei und einer Rückkehr an den Verhandlungstisch mit dem Ziel einer bizonalen, bikommunalen Föderation. Diese Botschaft fand Anklang in einer Gesellschaft, die von der Politik Tatars und dem immer stärkeren Einfluss Ankaras auf die inneren Angelegenheiten der Zyperntürken ermüdet war. Die Wahl könnte den seit [dem Scheitern der UN-Verhandlungen 2017 in] Crans-Montana dauernden diplomatischen Stillstand aufheben.“
Widerstand gegen Zweistaatenlösung
Es gibt endlich Hoffnung, schreibt Politis:
„Die Zyperntürken lehnten die Zweistaatenlösung klar ab und leisteten deutlich Widerstand gegen die Versuche, ihre säkulare Identität vollständig zu verändern. Der überwältigende Sieg des Oppositionsführers in den besetzten Gebieten mit der Wahl des Vorsitzenden der Republikanischen Türkischen Partei, Tufan Erhürman, zum Führer der Zyperntürken (62 Prozent gegenüber 35 Prozent seines Gegners) war ein Bekenntnis der Zyperntürken in allen Bereichen ihres Daseins, sowohl in Bezug auf Fragen, die ihren Alltag betreffen, als auch in Bezug auf das zentrale Thema, das offensichtlich die Zypernfrage ist.“