Fünf Länder boykottieren ESC wegen Israel

Bisher haben Spanien, Irland, Island, Slowenien und die Niederlande einen Boykott des 70. European Song Contest in Wien angekündigt. Stein des Anstoßes ist für die zuständigen Sender die Teilnahme Israels, das wegen seines Vorgehens im Gaza-Krieg kritisiert wird. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) hatte vergangene Woche beschlossen, dass alle EBU-Mitglieder an dem Musikwettbewerb teilnehmen dürfen, die das wünschen.

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Le Soir (BE) /

Moralischer Verantwortung nachkommen

In einem von Le Soir veröffentlichten Appell rufen Künstler und Vertreter diverser Organisationen Belgiens französischsprachigen Fernsehsender RTBF dazu auf, seine Teilnahme abzusagen:

„Unsere öffentlich-rechtlichen Medien können nicht Millionen von Fernsehzuschauern der israelischen Propaganda aussetzen. Wir appellieren an den Verwaltungsrat des französischsprachigen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, es abzulehnen, an der Rehabilitierung eines Staates mitzuwirken, der das schlimmste aller Verbrechen begeht. ... Als öffentlich-rechtlicher Sender trägt RTBF die moralische Verantwortung, sicherzustellen, dass seine Beteiligung am ESC mit der Achtung der Menschenrechte und demokratischen Werte einhergeht.“

The Irish Times (IE) /

Spiegelbild von Europas Spaltung

Dass Krisen und Kriege den modernen Song Contest prägen, überrascht The Irish Times nicht:

„Derartige Kontroversen belegen eindrucksvoll, dass Kultur- oder Sportveranstaltungen keineswegs 'über der Politik' stehen. Die Geschichte des Eurovision Song Contest ist geprägt von nationalen Rivalitäten und Spannungen, die die Show und mitunter auch deren Ergebnis beeinflussten. Der Wettbewerb ist heute von zwei Kriegen geprägt. Zuerst waren es Russland und Belarus, die nach dem Einmarsch in die Ukraine ausgeschlossen wurden. Nun kommen vier Staaten hinzu, die Israels Teilnahme ablehnen. In dieser Hinsicht spiegelt der moderne Song Contest ziemlich akkurat einen problembeladenen und zunehmend gespaltenen Kontinent wider.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Israel ist nicht Russland

Die Entscheidung, dass Israel teilnehmen darf, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung richtig:

„Wäre Israel ausgeschlossen worden, dann hätte das nicht die geringste Auswirkung auf den an Komplexität nicht zu überbietenden Nahostkonflikt gehabt. Es wäre ein Signal gewesen, dass Europas Rundfunkanstalten die einzige Demokratie des Nahen Ostens auf eine Stufe stellen mit Russland, das seit dem Überfall auf die Ukraine nicht mehr am ESC teilnehmen darf. Israels Vorgehen in Gaza und anderswo kann man im Einzelnen kritisieren, aber das Land verteidigt sich gegen Angriffe, die auf seine Vernichtung abzielen; seine Bürger können in freien Wahlen darüber entscheiden, wie es das tut. Dass es in Europa öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gibt, denen dieser Unterschied nicht bewusst oder egal ist, ist das wahre Problem.“