Krisengipfel in Minsk

In Minsk wollen am heutigen Mittwoch die Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich über eine Lösung im Ukraine-Konflikt beraten. Allerdings konnte sich die vorbereitende Kontaktgruppe in der Nacht in entscheidenden Punkten nicht einigen. Moskau wird in den Verhandlungen in jedem Fall verlieren, meinen einige Kommentatoren. Für andere wären Zugeständnisse an die prorussischen Separatisten ein Verrat europäischer Werte.

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De Morgen (BE) /

Am Ende ist Putin der Verlierer

Wie die Verhandlungen in Minsk auch ausgehen, Russland verliert in jedem Fall, prophezeit der Politologe Jonathan Holslag in der linken Tageszeitung De Morgen: "Sogar ein diplomatischer Erfolg in Minsk wird einen politischen Kater nach sich ziehen. Hinter dem Propagandavorhang wird immer wieder der trostlose Zustand der russischen Wirtschaft und der ausgemergelten Gesellschaft zum Vorschein kommen. ... Putin könnte die Flucht nach vorne antreten und noch stärker versuchen, durch eine starke Außenpolitik den Nationalismus anzustacheln. Aber die Frage ist, ob er das durchhalten kann. Ökonomisch und militärisch sind die Mittel begrenzt. Der Krieg in der Ukraine wird den Niedergang Russlands nur beschleunigen. Nicht nur die innere Stabilität gerät in Gefahr, auch könnte es zu weiteren geopolitischen Verschiebungen kommen."

Dnevnik (SI) /

Minsk bringt keinen Frieden

Größtes Hindernis für eine Einigung in Minsk ist die Tatsache, dass die Unverletzlichkeit der Grenzen Europas, auf die sich Ost und West 1975 in Helsinki verständigt haben, immer wieder missachtet wurde, kritisiert die linksliberale Tageszeitung Dnevnik: "Sich im Ukraine-Konflikt auf die Regeln der Schlussakte von Helsinki zu berufen ist heuchlerisch. ... Die EU irrt, wenn sie glaubt, durch das Ausbreiten des westlichen Einflusses über den Don hinaus in ihrem Kokon sicherer zu sein. Das Überschreiten der Linie, das US-Präsident Obama vehement Russland zuschreibt, hat Ereignisse ausgelöst, deren Ausgang schwer vorherzusagen ist. Derzeit sieht es eher nach Krieg als nach Frieden aus. Vor allem, wenn von beiden Seiten Waffen in die Ukraine geliefert werden."

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Auch Merkels Macht hat Grenzen

Bei ihrem Ringen um eine diplomatische Lösung für den Ukraine-Konflikt stößt Angela Merkel an die Grenzen ihrer Macht, analysiert die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung und sieht einen entscheidenden Fehler in der Verhandlungsführung der Bundeskanzlerin: "Merkels Mission in Moskau ist ein geradezu lehrbuchartiges Beispiel für deutsche Macht. Deutsche Macht ist vor allem ökonomische Macht. Deutschland kann locken mit Anbindung an den EU-Markt und mit dem Engagement deutscher Unternehmen. Und es kann damit drohen, beides durch Sanktionen zu unterbinden. ... Worüber Deutschland nicht verfügt als Werkzeug der Aussenpolitik, ist die militärische Seite der Macht. Merkels Position in Moskau wäre erheblich stärker gewesen, wenn sie die Lieferung von defensiven Waffen nicht ausgeschlossen hätte, wenn sie Putin über ihre Position dazu zumindest im Unklaren gelassen hätte. Durch ihre Ablehnung jedoch war von vornherein klar, dass die Europäer nicht mitmachen würden, selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass sich Obama dazu durchringen würde."

Die Achse des Guten (DE) /

Bundesregierung verrät europäische Werte

Anstatt die Ukraine zu unterstützen hat sich die deutsche Bundesregierung seit dem Beginn der Krise vor nunmehr fast einem Jahr einzig darum bemüht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht zu reizen, schimpft Thomas Rietzschel im Blog Achse des Guten: "Früher hieß es einmal, dass unsere Freiheit auch am Hindukusch verteidigt werde. Deutsche Soldaten wurden weit hinter die Berge abkommandiert und haben dafür ihr Leben gelassen. Nun, da die Bedrohung sehr viel näher gerückt ist, soll von einer derartigen Verteidigungsbereitschaft nicht mehr gesprochen werden. Lieber möchte man den Angreifer mit Gebietsgewinnen, die uns selbst nichts kosten, abfinden. Das mag kurzsichtig betrachtet vernünftig sein, es ist aber auch schamlos. Wer sich dazu versteht, wer dazu die Hand reicht, sollte sich nicht länger auf die europäischen Werte berufen. Heuchelei löst keine Probleme."