Alle Jahre wieder: Putins Pressesprechstunde

In seiner jährlichen Pressekonferenz hat sich Wladimir Putin über Stunden den Fragen der Journalisten gestellt. Über 1600 Medienvertreter drängten sich, zu Wort zu kommen. Was in Russland ein mediales Großereignis ist, wird auch im Rest der Welt aufmerksam verfolgt. Europas Journalisten versuchen, aus den Antworten des Präsidenten Schlüsse für Russlands künftige Politik zu ziehen.

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Echo Moskwy (RU) /

Keine Journalisten, sondern Claqueure

Der Erkenntnisgewinn der Veranstaltung wäre größer gewesen, hätten die anwesenden Medienvertreter ihre journalistische Pflicht besser erfüllt, schimpft die Journalistin Tanja Felgengauer in Echo Moskwy:

„Sie kommen um zu lobbyieren, zu bitten, zu danken oder sich einzuschmeicheln. Ich verstehe nicht, wie man laut über seltsame Witze lachen und die Antworten des Präsidenten beklatschen kann. Wieso man schreit, um Aufmerksamkeit zu erregen und fragenden Kollegen ins Wort fällt. Und danach kommen sie an und sagen: 'Oh Tanja, wie mutig, was für eine Frage!' Es war eine übliche Frage, die keinen Mut erfordert, sondern nur, dass man dir das Wort erteilt! ... Warum nutzen nur wenige diese Gelegenheit? ... Mit Journalismus hat das nicht im Entferntesten zu tun.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Nach ihm die Sintflut

Dass Putin als unabhängiger Kandidat antreten will, gibt für die Süddeutsche Zeitung einen Vorgeschmack auf die Zukunft:

„Das System wird noch mehr auf Putin zugeschnitten. Nach 18 Jahren unter seiner Führung liegen die staatlichen Institutionen in Trümmern. Parlament, Regierung und die Gouverneure in den Regionen haben nichts mehr zu sagen und werden vom Volk verachtet, wie Umfragen zeigen. Das gibt dem Präsidenten mehr Macht und macht das Regieren scheinbar leichter. Doch auch er kann sich nicht um alles selbst kümmern, selbst wenn er diesen Eindruck vermittelt. Und: Eines Tages wird auch Putin nicht mehr können oder wollen. Einen geordneten Übergang hinzubekommen wird umso schwerer, wenn keine Institutionen mehr vorhanden sind, die das Land zusammenhalten.“

LB.ua (UA) /

In der Ukrainefrage wird sich Putin bewegen

Für die Ukraine kommt eine Wende nach der Wiederwahl Putins, glaubt der Journalist Witali Portnikow im Onlineportal LB:

„Die Worte Putins zeugen davon, dass er gewillt ist, sich zum Donbass zu verständigen - dabei eben mit den Amerikanern und nicht mit den Europäern oder uns. Das Normandie-Format war für Putin ein politischer Einflusshebel auf die Situation. Die Konsultationen mit den Amerikanern sind ein Weg, Garantien zu erhalten, darunter auch persönliche. Wenigstens wissen wir nun, welchen Weg Putin gehen will.“

Newsweek Polska (PL) /

Ein Präsident ohne Visionen

Für Newsweek Polska war der Auftritt Putins inhaltlich ideenlos und bot damit einen Vorgeschmack auf seine nächste Amtszeit:

„Man hat deutlich gesehen: Es wird eine Zeit des Stillstandes, in der die oligarchische und Kreml-Elite um jeden Preis verteidigt wird. ... Auch gewaltsam. Die Richtung, in die Putin geht, wird ältere Russen an die Zeit Leonid Breschnews erinnern. Zwar sprühte der Präsident vor Energie und Humor, aber der Schein trügt. Es war zu sehen, dass er feststeckt, nicht weiß, wie es vorangehen soll. Putin ist noch nicht Breschnew, aber das Model des Putinschen Staates verbraucht sich langsam.“

Il Sole 24 Ore (IT) /

Konkurrenz bekommt nicht mal einen Namen

Was er von politischer Konkurrenz hält, hat Putin mehr als deutlich gemacht, findet Il Sole 24 Ore:

„Was für ihn zählte, war, jeden Verdacht aus der Welt zu räumen, die 18 Jahre an der Macht hätten ihn ermüdet oder gar geschwächt. ... Er ist der Vater der Nation, ein überparteiischer Garant für Stabilität, der einzig richtige für Russland. Seine Antwort auf die Frage von Oppositionsführerin Xenija Sobtschak, ob denn die Macht in Russland sich vor einem fairen Wettstreit fürchte, duldete keinen Widerspruch: Mehr als vielleicht je zuvor machte Putin seinen Standpunkt klar, dass er niemanden fürchte. Und er verglich 'jene Person' - denn Putin nennt Nawalny nie beim Namen, als wolle er ihn als Rivalen gar nicht anerkennen - mit dem georgischen Ex-Präsidenten Saakaschwili, der derzeit in der Ukraine gegen den Präsidenten Poroschenko kämpft. 'Wollen Sie einen Maidan in Russland?' fragte Putin. 'Dutzende solcher Leute wie Saakaschwili?'“