Lange Haftstrafen für Cumhuriyet-Journalisten

Chefredakteur, Geschäftsführer und 13 weitere Mitarbeiter der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet sind am Mittwoch zu Haftstrafen von zwei bis sieben Jahren verurteilt worden. Ihnen wird Terrorpropaganda für die Gülen-Bewegung und die PKK vorgeworfen. Einige Kommentatoren blicken düster in die Zukunft von Cumhuriyet und der Türkei. Andere wollen einen Hoffnungsschimmer nicht verglimmen sehen.

Alle Zitate öffnen/schließen
taz, die tageszeitung (DE) /

Cumhuriyet droht das Ende

Die Urteile erwecken noch nicht einmal mehr den Anschein, dass die Justiz an der Wahrheitsfindung interessiert ist, stöhnt die taz:

„Hier ist ein Gericht schlicht dem Auftrag der Regierung nachgekommen, eine der wenigen noch hörbaren regierungskritischen Stimmen mundtot zu machen. … Zwar betonten die betroffenen Journalisten, die Regierung hätte sich mit Cumhuriyet die falsche Zeitung ausgesucht, man werde ganz sicher nicht aufgeben, doch das ist leichter gesagt als getan. Wenn die wichtigsten Leute erst einmal im Gefängnis sitzen und die Regierung der Zeitung mit bürokratischen Tricks und der Behinderung des Vertriebs die Geldzufuhr abschneidet, kann es mit Cumhuriyet, der ältesten Zeitung der Türkei, bald vorbei sein.“

T24 (TR) /

Ohne Demokratie kein Fortschritt

Keine Hoffnung auf eine Genesung der Türkei sieht nach den Urteilen Journalist und Schriftsteller Hasan Cemal in T24:

„Durch diese Strafen haben wir erneut begriffen, dass in diesem Land Demokratie, Justiz und Meinungsfreiheit Geschichte sind. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein Lügner. Solange wir nicht von der Mentalität befreit sind, die bei jeder Gelegenheit Justiz und Meinungsfreiheit schändet, kann die Türkei nicht ins Gleichgewicht finden. In einem Land ohne Demokratie wird sich nichts verbessern, sondern alles nur noch schlimmer werden. Ebenso sind Frieden und Ruhe unmöglich, kommen weder politische noch wirtschaftliche Stabilität. ... Lange Rede, kurzer Sinn: Solange die Türkei nicht von Erdoğan befreit wird, ist ihre Zukunft verstellt.“

Die Presse (AT) /

Erdoğan-Bashing ist die leichteste Übung

Die türkische Zivilgesellschaft muss endlich stärkere europäische Unterstützung bekommen, fordert Die Presse:

„Zahllose zivilgesellschaftliche Organisationen, Studenten, Frauenvereine, Hilfsverbände, säkular eingestellte Gruppen lassen sich nicht einschüchtern und zeigen regelmäßig mit noch so kleinen Aktionen ein Zeichen des Protests. Es ist schon lang überfällig, dass sich die europäische Gesellschaft samt ihrer Union geschlossen zu diesen Menschen bekennt und ihnen Anerkennung zollt, anstatt es sich leicht zu machen und sich nur über Erdoğan zu ereifern. ... Europa kann den demokratieliebenden Türken ihren Kampf nicht abnehmen, aber Europa kann sie tatkräftig unterstützen. ... [Die] kritische Zivilgesellschaft sollte nicht im Stich gelassen werden, denn der Blick in Richtung EU ist ihre große Chance, es ist der Grund, warum sie nicht aufgeben.“